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Studie: Berliner sind arm, aber happy

Eine Studie der Hertie-Stiftung zeichnet ein überraschend positives Bild der kulturellen Integration in Berlin. Überhaupt scheint die Stimmung in der Stadt deutlich besser als erwartet.

Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not schlagen sich nicht auf die positive Einstellung der Berliner zu ihrer Stadt nieder. Und Berlin selbst bewältigt die schwierige Vereinigung von Kulturen, Gesinnungen und Mentalitäten mit Bravour. Das sind zwei der wichtigsten Ergebnisse aus der repräsentativen Berlin-Studie der Hertie-Stiftung, die an diesem Dienstag vorgestellt wird. 2000 Berlinerinnen und Berliner ab 14 Jahren waren befragt worden, um unterschiedliche Lebensstile zu identifizieren und ein Bild von den Einstellungen, Wünschen und Lebensbedingungen der Einwohner zu zeichnen.

„Der Ost-West-Gegensatz hat keine prägende Kraft mehr für die Stadt“, sagt Michael Zürn vom Wissenschaftszentrum Berlin. Bei der Frage nach Werten oder eigener Identität seien die Unterschiede zwischen Frauen und Männern oft sogar größer als die zwischen Ost- und West-Berlinern. Und für Klaus Hurrelmann, wie auch Zürn Mitglied des Beirats der Studie, „gelingt die Identifizierung der Bewohner mit der Stadt besonders gut, weil Berlin relativ homogene Lebenswelten für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen anbietet“. Die große Überraschung sei deshalb, „dass die subjektive Stimmung der Berliner erheblich besser ist als ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Stadt“.

Kurz, die Berliner lieben ihre Stadt, obwohl viele unter der dahindümpelnden Wirtschaft leiden. Unter den Befragten bemängeln 83 Prozent die hohe Arbeitslosigkeit und befürchten steigende Preise. Mehr als zwei Drittel rechnen mit wachsender Not und Armut in der Stadt. Dennoch, fast 90 Prozent leben gerne in Berlin, nur zwei Prozent wollen weg. Doch nicht alle – und besonders nicht die Alteingesessenen – würden die Stadt als Wohnort empfehlen. Offenbar verliert Berlin seinen Bonus mit den Jahren, die man hier lebt. Es sind vor allem die jungen Zugereisten, auch aus den USA oder Westeuropa, die von der Stadt begeistert sind: 83 Prozent. Dazu zählt die Studie insbesondere die vielen „hoch qualifizierten jungen Erwerbstätigen“.

Die Unterschiede bei Herkunft und Lebensstil sehen die Berliner mehrheitlich als Gewinn, weil dies ihr Leben bereichert. Milieus und Szenen werden nicht als Parallelgesellschaften, sondern als durchlässige Lebenswelten angesehen. Beschwerden über „zu viele Ausländer“ stehen ganz am Ende der Problemskala. Nach Überzeugung der Forscher liegt dies an dem geradezu euphorischen Bild, das die Berliner von ihrer Stadt haben: Berlin ist die Metropole eines neuen Deutschlands, die Avantgarde eines neuen Selbstbildes der globalisierten Gesellschaft. Zum Selbstverständnis des Berliners gehöre es, sich zugleich als Deutscher und Europäer zu fühlen.

Deshalb klappt der Befragung zufolge auch die Integration: 61 Prozent der Deutschen und sogar 77 Prozent der Migranten bewerten ihre Kontakte untereinander als positiv. Ausdrücklich negativ bewertet nur ein Prozent die Kontakte mit der jeweils anderen Kultur. Doch die Studie zeigt auch, dass die Segregation Spuren hinterlässt: In den problematischen Bezirken bezeichnen nur 23 Prozent der Befragten den sozialen Zusammenhalt als gut. Und 39 Prozent der Berliner mit Migrationshintergrund sehen sich als benachteiligte Gruppe.

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