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Bei einem stadtweiten Stromausfall befürchten Experten Plünderungen und Chaos in Berlin. Ein vollständiger Blackout sei allerdings sehr unwahrscheinlich.

© dpa

Studie zu Stromausfall in Berlin: Chaos und Plünderungen im Katastrophenfall

Laut einer Studie der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht hätten die Behörden beim Kollaps des Stromnetzes kaum Chancen, das öffentliche Leben aufrecht zu erhalten.

Berlin hat keine katastrophenfeste Infrastruktur. Bei einem mehrtägigen Stromausfall könnten ganze Stadtteile von Hilfe abgeschnitten sein. Das geht aus einer Studie der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) hervor.

„Nur für wenige Einrichtungen gelten ausreichende Vorschriften über eine Notstromversorgung“, sagt Claudius Ohder, Kriminologe und Ko-Chef des Forschungsprojektes. Selbst notstromversorgte Kliniken und Senatsverwaltungen bräuchten bald erneut Treibstoff, der wegen des erlahmten Verkehrs und der vom Hauptstromnetz abhängigen Tankstellen schwer zu beschaffen sei. Die Situation werde dadurch verschärft, dass nach einem Blackout alle Aggregate zur selben Zeit anspringen. Zwar funktioniere zunächst wohl das Katastrophenmanagement der Behördenchefs, doch bekäme der Krisenstab in der City schon bald keine Informationen vom Stadtrand.

Eine Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der im Katastrophenfall den Krisenstab leiten würde, sagte, neben Notfallübungen gebe es für den Fall von Sabotageakten enge Absprachen zwischen Behörden und Versorgern. Allerdings sprechen die HWR-Forscher von „massiven Infrastrukturproblemen“, weil der Kraftstoff für die Notstromaggregate von Polizei, Feuerwehr und Wasserwerken oft nur 24 Stunden reiche.

An der HWR wurden vor allem mögliche psychosoziale Folgen eines mehrtägigen Blackouts untersucht. Zunächst wüssten viele Einwohner nicht, wo sie Hilfe bekämen, etwa weil Internet, Fernsehen und Radio nicht mehr funktionierten. „Kaum jemand hat noch batteriebetriebene Geräte“, sagte Ohder. Der Verkehr stehe, in hohen Gebäuden gebe es keine Wasserversorgung, über Telefon um Hilfe zu rufen sei nicht möglich. In Kiezen, deren Bewohner sich ohnehin benachteiligt fühlen, könne es Plünderungen geben. Nun sollen neue Sicherheitssysteme entwickelt und Anlaufstellen in den Bezirken eingerichtet werden, in denen Informationen und Energieversorgung zusammenlaufen. „Viele Menschen würden in einem Katastrophenfall helfen wollen, wenn sie wüssten wo und wie“, sagte Ohder. Mit Lautsprechern könnte im Krisenfall auf diese Einrichtungen aufmerksam gemacht werden. Dazu gehöre eine Datenbank mit Angaben zu Pflegeheimen, Kriminalitätsrate und Hochhäusern in einzelnen Kiezen.

Beim Energieversorger Vattenfall gilt das Szenario eines stadtweiten Stromausfalls allerdings als unrealistisch. „Dafür müssten nicht nur alle Berliner Kraftwerke ausfallen, sondern auch die Leitungen von außerhalb unterbrochen sein“, sagt Sprecher Hannes Hönemann. Die zehn innerstädtischen Vattenfall-Werke erzeugten je nach Jahreszeit ein bis zwei Drittel des in Berlin verbrauchten Stroms, der Rest wird – etwa aus der Lausitz – importiert. „Mit nur einem Vorfall kann in Berlin das Licht nicht ausgehen.“ In Tiergarten befindet sich die Netzleitstelle, aus der die Stromversorgung gesteuert wird. Fällt sie aus, wäre die Lage ernst, aber laut Vattenfall beherrschbar: Es gebe eine zweite Leitstelle als Reserve. Ansonsten bestehe das Stromnetz aus dezentralen Knoten wie den 80 Umspannwerken.

Wenn eines davon ausfällt, säßen zunächst 30 000 Menschen im Dunkeln. Doch könnte an den meisten Orten die Versorgung wiederhergestellt werden – dank der engen Maschen des Stromnetzes. Statistisch erlebt der Durchschnittsberliner zwölf Minuten Stromausfall im Jahr.

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