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Berlin: Stullen schmieren im Akkord

400 Helfer bereiteten ein gesundes Frühstück für 53 000 Schulanfänger in Berlin und Brandenburg vor

Frühmorgens in den Hallen eines Biolebensmittelvertriebs in Britz: Draußen herrscht Sonntagsstille, drinnen ist reger Betrieb. 400 Helfer tragen Kartons durch die Gegend, schneiden Möhren, puhlen hektisch Schmierkäsehäppchen aus der Verpackung und packen alles zusammen in Brotboxen. 53 000 Boxen in sechs Stunden füllen heißt das Ziel dieser freiwilligen Helfer. Sie stellen das heutige Schulfrühstück der Schulanfänger in Berlin und Brandenburg zusammen. „Bio-Brotbox“ heißt die Aktion, die es jetzt zum fünften Mal gibt und die den Erstklässlern und ihren Eltern zeigen soll, wie wichtig gesunde Ernährung für gute Schulleistungen ist. „Wir beginnen schon ein halbes Jahr vorher mit der Planung“, sagt Burkhardt Sonnenstuhl, der die Aktion vor vier Jahren ins Leben rief. 2002 waren es noch 70 Helfer, die im „organisierten Chaos“ 23 000 Brotboxen packten. Inzwischen gibt es Nachahmer in München, Nürnberg oder Frankfurt am Main. Dieses Jahr werden erstmals flächendeckend brandenburgische Grundschulen beliefert – „ein riesiger logistischer Aufwand“, sagt Sonnenstuhl. Deshalb werden einige Schüler erst am Dienstag in den Genuss des Biofrühstücks kommen.

Dass die Aktion auch in Brandenburg gut angenommen wird, bestätigt Heidrun Franke von der Verbraucherzentrale Potsdam. „Nur ist leider wenig Frisches in der Box, aber das war anders wohl nicht möglich“, sagt sie, während sie Möhren schnippelt. Diese kommen aus der Uckermark, ebenso wie die 2,8 Tonnen Biobrot und die 52 000 Liter Biomilch, die heute und morgen an die Erstklässler verteilt werden. Die Aktion soll nach den Vorstellung von Initiator Sonnenstuhl, der für sein Engagement im August mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, über die Region hinaus etabliert werden. Noch in diesem Jahr soll eine Stiftung gegründet werden, um sich deutschlandweit zu engagieren.

Bei so viel guten Taten lassen sich an diesem Sonntag auch einige Politiker – unter anderem Ex-Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Grüne) und Bildungssenator Klaus Böger (SPD) – blicken und packen mit an. Das Projekt erhält allerdings nur wenig öffentliche Förderung. Deshalb lebt die Aktion von den knapp 40 Sponsoren. Dazu gehören unter anderem Biogeschäfte und -produzenten, eine Krankenkasse und eine Bank, die nicht nur Geld, sondern auch zahlreiche freiwillige Helfer mitbringen.

Esther Gloger hat ihre beiden Töchter und die Schwiegermutter mit eingespannt. „Es ist schon wie Fließbandarbeit, aber wenn durchgesagt wird, wie viel wir schon geschafft haben, sind alle richtig euphorisch“, sagt die Tempelhoferin. Der Student Patrick Mützlitz hat den samstäglichen Ausgehabend sausen lassen, um mit seinen Freunden fürs Brotbox-Packen fit zu sein. Und selbst die Kleinen wollen mithelfen – so viele, dass die Mitarbeiter des Biohändlers spontan eine Kinderbetreuung auf die Beine stellen müssen. Schulklassen wie die vierte Klasse der Kreuzberger Hunsrück-Grundschule sind ebenfalls mit einem Dutzend Schüler vertreten. Der 10-jährige Arne Riethmüller aus Steglitz ist mit seinem Vater da. „Das macht richtig Spaß hier, und man kann ab und zu mal naschen“, sagt er und blickt auf die Biogummibärchen vor ihm. „Besser als Hausaufgaben ist das allemal.“ Nicht umsonst steht auf seinem T-Shirt „Hausaufgaben gefährden meine Gesundheit“. Eine volle Brotzeitbox dagegen hat noch niemandem geschadet.

Johannes Kuhn

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