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Berlin: Sturz aus dem Oberdeck

Zwei Schwerverletzte bei Busunfall in Tegel Fahrer hatte das Bewusstsein verloren

Frauke Otto spielte Cello in ihrer Wohnung, als sie einen lauten Knall hörte. Die Musikerin lief auf die Straße – hinein in eine gespenstische Szenerie. Ein Doppeldeckerbus der BVG hatte sich frontal in einen Straßenbaum verkeilt. Auf dem Gehweg lief ein Jugendlicher hin und her, panisch schreiend, mit blutender Hand und entsetztem Blick.

Der Bus der Linie 222 von Tegelort nach Alt-Lübars war am Montag gegen neun Uhr quer über die gesamte Breite der Karolinenstraße gerollt und auf dem Grünstreifen gegen einen Baum geprallt. Dabei wurde ein Jugendlicher aus dem Oberdeck geschleudert. Der 19-jährige Schüler erlitt nach Polizeiangaben ein Schädel-Hirn-Trauma und Schnittverletzungen. Er hatte Glück. Sträucher und Äste bremsten seinen Sturz ab.

Ein weiterer Fahrgast stand offenbar auf der Treppe zwischen Ober- und Unterdeck, als das Unglück geschah. Der 47-jährige Mann erlitt Kopfverletzungen, befindet sich aber nicht in Lebensgefahr. Drei weitere Fahrgäste wurden leicht verletzt. Mit neun Insassen war der Bus nur schwach besetzt.

Die Unfallursache: ein „totaler Blackout“ des Fahrers, erklärt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Darauf weisen die Daten des Fahrtenschreibers hin. Der Bus war ungebremst gegen den Baum geprallt – mit 40 Kilometer pro Stunde – „das ist viel für einen Bus“. Der Baum wurde dabei halb entwurzelt.

Der Fahrer, 56 Jahre alt, „gilt unter Kollegen als erfahren und ausgesprochen gesund“, sagt Reetz. Die letzte Krankmeldung liegt schon Jahre zurück. Erst im September habe sich der Fahrer einem Gesundheitscheck unterzogen. Ohne Befund. Trotzdem verlor er nun für Sekunden das Bewusstsein und sackte zur Seite. Er blieb unverletzt, auch, weil er angeschnallt war.

Dass Busfahrer unterwegs einen Schwächeanfall erleiden, kommt laut BVG extrem selten vor. Wird einem Fahrer übel, kann er per Knopfdruck Kontakt zur Leitstelle aufnehmen und sich ablösen lassen. Die meisten Busunfälle der BVG seien „fremdverschuldet“, sagt Petra Reetz. 2006 kam dabei ein Mensch ums Leben. Drei Businsassen wurden damals schwer, 159 leicht verletzt. Bei den Unfällen, die der Busfahrer verschuldete, gab es nur 12 Leichtverletzte.

Gurte zum Anschnallen gibt es in BVG-Bussen nur für Kinderwagen und Rollstühle. Und für den Fahrer. Auch die Fahrgäste anzugurten, gilt wegen der kurzen Verweildauer und der vielen Stehplätze im Bus als unpraktikabel. „Das gibt es im öffentlichen Nahverkehr weltweit nicht“, sagt Reetz. Auch Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat sieht kaum Chancen für mehr Sicherheit in Linienbussen. „Es gibt eben nicht ausreichend Sitzplätze.“ Die meisten Unfälle ereigneten sich ohnehin nicht während der Fahrt, sondern beim Aus- und Einsteigen.

In Brandenburg haben Oppositionspolitiker nach einer Häufung von Unfällen mit Schulbussen die Einführung von Sicherheitsgurten gefordert. Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) lehnte die Umrüstung von Bussen jedoch als zu teuer ab. Eine Gurtpflicht besteht bislang nur in Reisebussen - immer dann, wenn es auch Gurte gibt. In älteren Bussen ist das nicht der Fall. Thomas Loy

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