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Berlin: Sturz aus der Zirkuskuppel: Sicherungsseil war mürbe

Die aus 12 Metern Höhe gefallene Trapezkünstlerin ist außer Lebensgefahr Landesamt für Arbeitsschutz untersucht den Unfall. Vorstellungen gehen weiter

Niemand weiß, ob sie jemals wieder laufen, geschweige denn im Zirkus auftreten kann: Die 35-jährige Artistin, die am Samstagnachmittag im „Circus Barelli“ vom Trapez in 12 Metern Höhe abstürzte, liegt mit schweren Knochenbrüchen im Weddinger Virchow-Klinikum. Auch das Becken ist mehrfach gebrochen, die Frau außer Lebensgefahr; sie ist über die Berufsgenossenschaft versichert. Die Russin Irina K. gehörte gerade ein halbes Jahr zum zweitgrößten Zirkus Deutschlands mit seinen rund 100 Künstlern und Artisten aus zehn Nationen. Um die zweijährige Tochter kümmert sich der Vater, selbst Artist und Augenzeuge des Unglücks.

„Eines der farbenprächtigsten, spektakulärsten und schwierigsten Zirkusprogramme der Welt“, steht mit gleich drei Ausrufezeichen auf den Plakaten am zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm. Seit 17. September gastiert der Zirkus mit Sitz in Bayern hier – und das Programm geht, wie geplant, bis 31. Oktober weiter. Unfälle passieren im Zirkus immer wieder, wie auch im Flugverkehr oder bei der Bahn, sagt Zirkuschef Harry Barelli. „Aber das Tragische ist: Dieser Unfall hätte nicht sein müssen.“

Der 49-Jährige trat gerade als Ansager in die Arena, als das Unglück geschieht: Irina K. – laut Programm mit „fließendem und schwerelosem Trapeztanz, von faszinierender Präzision“ – hängt zum Ende der Nummer unter der blauen Kuppel mit gelben Sternen kopfüber nur an den Fesseln am Trapez. Dann die Schocksekunden für 1500 Besucher im gut gefüllten Zelt: Die Frau rutscht ab, wird vom „Drahtsegel“, der Sicherheitsleine, aufgefangen – zwei Menschen, darunter auch ihr Mann, sichern es am Boden. Dann aber reißt das Seil, und die Frau stürzt kopfüber zu Boden.

Für die Polizei handelt es sich um einen Arbeitsunfall; Hinweise auf andere Hintergründe gibt es nicht. Das sichergestellte Hochseil wird vom Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) untersucht. Es soll brüchig gewesen sein, so die erste Analyse. Eine Anzeige gegen den Chef der Truppe „Linn“ oder den Zirkus gibt es nicht. Weil Artisten freie Künstler seien, gelte für sie das Arbeitsrecht nicht, sagte Lagetsi-Sprecher Robert Rath. Deshalb habe Barelli auch nicht seine Aufsichtspflicht verletzt. Auch Sonntag war der Zirkus Barelli gut besucht. In der zweiten Samstagvorstellung hatte das Publikum spontan Standing Ovations spendiert, nachdem Harry Barelli vom Unfall berichtete. Dem Zirkusdirektor geht der Unfall nah: Sein Sohn Timmy, 26, stürzte vor zehn Jahren vom Hochrad und musste die Artistik aufgeben. Heute ist er der Clown in der Manege. „Die Artisten leben dafür, das ist einkalkuliertes Risiko“, sagte gestern eine Zuschauerin. Nächste Station ist Münster.

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