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Subventionen: Land fördert jedes Ticket mit 100 Euro

Die öffentlich subventionierten Kultureinrichtungen bekommen immer mehr Geld pro Besucher. Grüne und Linke beklagen dramatische Wettbewerbsverzerrungen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer in die Oper, ins Konzert oder Theater geht, wird in Berlin hoch subventioniert. Im vergangenen Jahr gab der Senat für jedes Ticket durchschnittlich 100 Euro dazu. Dabei sind die Unterschiede zwischen den öffentlich geförderten Kultureinrichtungen sehr groß. Ein Abend in der Staatsoper wurde mit 248 Euro aus der Landeskasse bezuschusst, der Besuch des Friedrichstadtpalastes mit knapp 17 Euro. Bei den Sprechtheatern lag die Volksbühne mit 141 Euro pro zahlendem Besucher vorn, das Renaissance Theater kam mit 25 Euro aus.

Mit dem Regierenden Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) konnten die Intendanten zufrieden sein. Die landeseigenen Theater- und Orchesterbetriebe einschließlich der konzeptgeförderten Privattheater erhielten 2010 Landeszuschüsse in Höhe von 254,8 Millionen Euro. Das waren 14,3 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Auch wirtschaftlich gesehen blühte die Kulturlandschaft, von Ausnahmen abgesehen. Die 25 geförderten Institutionen erwirtschafteten insgesamt sogar ein kleines Plus. Ihren eigentlichen kulturpolitischen Auftrag erfüllten die großzügigen staatlichen Vergünstigungen allerdings nicht: Die Zahl der Besucher stagnierte.

Für das vergangene Jahr weist die Kulturverwaltung in einem Bericht ans Abgeordnetenhaus, der dem Tagesspiegel vorliegt, fast 2,7 Millionen Besucher aus. „Eine Mogelpackung“, kritisiert der kulturpolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Brauer. Denn zwischen Eigenproduktionen und Gastspielen werde dabei nicht unterschieden. Die künstlerische Leistungsfähigkeit der Einrichtungen – und somit auch ihre tatsächliche Förderungswürdigkeit – lasse sich aus den Besucherzahlen nicht mehr ablesen. Auch die Kulturexpertin der Grünen, Alice Ströver, vermisst Transparenz. Wie viele Premieren und Eigenproduktionen die staatsfinanzierten Einrichtungen anbieten, wisse keiner mehr so genau. Für die gerechte Zuteilung der Landeszuschüsse fehlten objektiv nachvollziehbare Kriterien. „Das ist alles irgendwie historisch gewachsen, eine konzeptionelle Debatte findet seit Jahren nicht mehr statt.“

Verantwortlich dafür, so Ströver, seien Wowereit und dessen Staatssekretär André Schmitz. Seitdem die beiden für Kultur verantwortlich seien, herrsche eine „bleierne Zeit“. Eine Diskussion über die Berliner Kulturszene und deren öffentliche Förderung finde kaum noch statt. Die Grünen-Politikerin will nicht nur Ungerechtigkeiten diskutieren, die es beispielsweise zwischen den gut ausgestatteten Opern und den kleinen Häusern gibt. Auch beklagt sie „dramatische Wettbewerbsverzerrungen“ zwischen den kulturellen Landesbetrieben und der rein privat finanzierten Szene. Ihr Parlamentskollege Brauer ergänzt: „Die Vergabe der Lottomittel im Kulturbereich verstößt absolut gegen jede Chancengerechtigkeit.“ Als Beispiel nennt er die Förderung des Schlossparktheaters durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie.

Der neue Jahresbericht zur finanziellen Entwicklung der landeseigenen Theater- und Orchesterbetriebe wird demnächst im Kultur- und Hauptausschuss des Landesparlaments diskutiert. Ein sich jährlich wiederholendes Ritual ohne erkennbare Folgen. Schon 2010 stöhnte Staatssekretär Schmitz über die „ermüdende Diskussion“. Zwar forderte auch er von den Häusern mehr Leistung, also zusätzliche Vorstellungen und Premieren. „Aber möglicherweise ist es klug, mit weniger Vorstellungen fast genauso viel zahlende Besucher zu erreichen.“

Verbunden mit wachsenden Subventionen. Mit Ausnahme des Theaters an der Parkaue (für Kinder und Jugendliche) und den konzeptgeförderten Veranstaltern Nico and the Navigators, Theater im Palais, Theater ’89 und der Vaganten Bühne bekamen alle 2010 – im Vergleich zum Vorjahr – ein finanzielles Zubrot. In welchem Zusammenhang diese Förderung mit der künstlerischen und wirtschaftlichen Eigenleistung, Zuschauerzahlen und Höhe der Eintrittspreise steht, ist aus dem Bericht der Kulturverwaltung nicht ablesbar. Nimmt man die öffentlichen Zuschüsse je Eintrittskarte als Maßstab, konnten an vorderer Stelle die Opernstiftung, das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble Zuwächse verbuchen. Dagegen kamen die Kindertheater (Parkaue und Grips) mit leicht sinkenden Subventionen aus.

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