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Berlin: Supermarktüberfall: Der Junge und die Räuber

Der Zeuge heißt Paul, Paul S. Mehr darf niemand erfahren.

Der Zeuge heißt Paul, Paul S. Mehr darf niemand erfahren. Auch wo er wohnt und zur Schule geht, muss geheim bleiben. Eines aber soll nach dem Willen der Polizei jeder wissen: Das Alter des Zeugen ist 12 Jahre und er hat nicht wie Erwachsene still gehalten, als maskierte Räuber mit Pump-Guns einen Supermarkt überfielen. Er war es, der die Polizei auf ihre Spur brachte. Zwei sind aber noch nicht gefasst.

Paul S. ist anderthalb Meter groß, hat schmale Schultern, und ein schon braungebranntes Kindergesicht. Darin steht der Stolz geschrieben, als ihm am Mittwoch ein Polizeioberrat im Foyer des Landeskriminalamts eine Urkunde und einen 250-Mark-Einkaufsgutschein von Saturn überreicht. Erst Stolz und dann Angst. Vor den Fotografen, die wie eine Traube an ihm hängen?

Am 24. Januar gegen 16 Uhr 40 beobachtete Paul, wie drei Männer mit dicken Stoffbeuteln einen Netto-Markt in Pankow verließen. Was ihm auffiel: Wie schnell sie rannten, wie sie Leute anrempelten und dann in einen Golf sprangen. Sonst sah das scheinbar niemand. "Die waren alle mit Einkaufen beschäftigt", erinnert sich Paul. Er merkte sich das Kennzeichen und erzählte es der Polizei. Noch am Abend konnte sie in der Wohnung des Autobesitzers einen Verdächtigen festnehmen, mehrfach vorbestraft, wegen schweren Raubes und räuberischer Erpressung. Der Mann wurde inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. "Zu seinen Komplizen aber schweigt er", sagt Kriminaloberrat Manfred Schmandra. "Es könnte sein, dass sie ihn unter Druck gesetzt haben. Wir ermitteln weiter."

"Ich habe einen der Räuber ganz genau gesehen und einen ein bisschen", sagt Paul ganz freimütig während der Ehrung, "Wir haben lange überlegt und abgewogen", sagt Schmandra nicht weniger offen: "Die mögliche Gefährdung des Jungen durch die noch flüchtigen Täter gegen die öffentliche Wirkung, die er erzielen kann. Sie sehen ja das Interesse." Eine Journalistin fragt Paul gerade, ob er später Polizist werden will. Ein Fotograf setzt ihm eine Polizeimütze auf, ein anderer ruft: "So, und jetzt mal die Zähne zeigen, lächeln!"

Auch für Polizeisprecher Hansjörg-Dräger steht "Pauls Vorbildwirkung" im Vordergrund, deshalb die Einladung an die Berliner Medien. "Außerdem geben wir Nachnamen und Adresse nicht heraus. Es ist ja nicht so, dass die Täter gleich wissen, wo sie suchen müssen." Und Pauls Vater, ein Kranfahrer, sagt: "So baut der Paul vielleicht auch andere Kinder auf. Dass die ihm ein bisschen nachstreben." Dann lässt er Paul bei den Journalisten stehen und geht auf Wunsch einer Radioreporterin mit um die Ecke, weil es dort nicht so laut ist.

Rico Czerwinski

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