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Berlin: Tacheles: Schönheit, die von innen kommt

Von Staub, Lärm und Arbeitern, die ab und zu durch sein Atelier laufen, lässt sich Resa Mashoodi nicht abschrecken. Der Iraner hat frisch gespülte Pinsel und Farbtöpfe um sich aufgebaut.

Von Staub, Lärm und Arbeitern, die ab und zu durch sein Atelier laufen, lässt sich Resa Mashoodi nicht abschrecken. Der Iraner hat frisch gespülte Pinsel und Farbtöpfe um sich aufgebaut. Auf seiner Staffelei steht ein Aktbild. Einen Raum weiter lagern Lüftungsrohre, überall liegen Kabel auf dem Boden. Bauarbeiter ziehen Rigips-Wände ein, schweißen Heizungsrohre.

Mashoodi ist einer der wenigen Künstler, die schon wieder ins Tacheles an der Oranienburger Straße zurückgekehrt sind. Vergangenen September begann der neue Eigentümer, die Fundus-Gruppe, mit der Renovierung. Maler, Bildhauer und Videokünstler mussten ausziehen, während Café und Theater geöffnet blieben. Im März soll alles fertig sein. Noch ist die Kunstruine jedoch eine Kunstbaustelle. "Null Toleranz gegen Leitkultur", heißt es auf einem Transparent, das an der eingerüsteten Fassade des Kulturhauses im Wind flattert.

Im Eingang begrüßt ein zur Skulptur mutierter Feuerlöscher. Das Treppenhaus wird von orangefarbenen Neonröhren beleuchtet, die Wände sind kreischbunt vor Graffiti. Hier liegt der anarchische Esprit noch in der Luft, der das selbstverwaltete Kunstzentrum Anfang der 90er Jahre berühmt machte. Ein Blick in den Theatersaal: Üppiger Stuck an der Decke und imitierte Säulen am Rande des Saales erinnert an ein Stück Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes. Vor dem Ersten Weltkrieg flanierte die feine Gesellschaft hier durch ein exklusives Kaufhaus (siehe Kasten). Heute zieht der Abenteuerspielplatz der freien Kunstszene jährlich bis zu 350 000 Besucher an. Das Tacheles wird von Grund auf saniert. Heizung, Lüftung, Elektrik, Dach, alles wird neu. Der ehemals einsturzgefährdete Ostflügel hat neue Betonstützen bekommen. Über dem letzten erhaltenen Passagenbogen wird eine zusätzliche, dreigeschossige Galerie gebaut. Etwa sieben Millionen Mark investiert das Unternehmen Fundus. Fassade und Innenwände sollen nach dem Willen des Vereins allerdings nicht gestrichen werden.

Kein Face-Lifting für die Kunstruine

"Äußerlich soll es so bleiben wie es ist", sagt Henning Gruner vom Vorstand des Tacheles-Vereins. So bleibt vielleicht etwas vom alten Hausbesetzer-Geist erhalten. Die Fundus-Gruppe, mit der die Tacheles-Betreiber anfangs in erbittertem Streit lagen, hat sich mit dem alternativen Kulturzentrum mittlerweile arrangiert. "Die Ruinenbewirtschaftung macht das Gebiet für die Zukunft attraktiv", sagt Fundus-Sprecher Otmar Braun.

Das Tacheles steht auf einem rund 30 000 Quadratmeter großen Grundstück, das der Projektentwickler 1997 für 80 Millionen Mark von der Oberfinanzdirektion kaufte. Mit den Künstlern einigte sich Fundus auf einen auf zehn Jahre angelegten Vertrag mit der symbolischen Miete von einer Mark monatlich. Wenn der Bebauungsplan genehmigt ist, will Fundus auf dem Areal rund ums Tacheles ein Hotel sowie ein Ensemble von Wohn- und Geschäftshäusern bauen.

Das ehemalige Gästehaus der DDR, das gegenüber der Kunstruine liegt, hat Fundus an eine Londoner Mediengruppe verkauft. Nach Auskunft Brauns sollen dort bald Werbeleute und Journalisten einziehen. Kreative Branchen, in denen man die Nachbarschaft der Künstler zu schätzen wisse. Derweil schlägt sich das Kulturhaus mit den Problemen des freien Kunstbetriebs herum. Im vergangenen Oktober strich Kultursenator Christoph Stölzl die Förderung. Nach heftigen Protesten wurde sie für 2001 doch wieder zugesagt. Henning Gruner beklagt ein "Missverhältnis": "Wir sind das Aushängeschild der Off-Kultur und kämpfen um jede Briefmarke."

Das Gesicht des ehemals besetzten Hauses hat sich inzwischen aber auch geändert. Henning spricht von einer selbstbestimmten Einrichtung, die sich "auf dem freien Markt professionalisieren muss". In Zukunft werde der internationale Künstleraustausch verstärkt. Im neuen Ostflügel sei ein "kommerzielles L" geplant. Räume sollen an "Projekte" vermietet werden, die auch Geld einbringen. Genauer wird Gruner nicht. Eigene Einnahmen erziele das Tacheles bislang hauptsächlich mit dem Café Zapata, der Metallwerkstatt und dem Kino. Die offene Rückwand des Kunstzentrums, die man von der Friedrichstraße her sieht, war jahrelang eines der beliebtesten Fotomotive von Touristen. Auf der Brachfläche davor hat ein Künstler sein Atelier in Bauwagen aufgeschlagen. Ein Sammelsurium von Regenschirmen, Fahrrädern und Trödel, das dort lagert, dient ihm offenbar als Material. Auf der Brache hatte das Tacheles bislang seinen "Skulpturengarten". Fundus will das Gelände zu einem Stadtplatz umgestalten. Womöglich liegt dort der Zündstoff für den vorletzten Streit zwischen Kunstverein und Investoren.

Zur letzten Auseinandersetzung könnte es in sieben Jahren kommen, wenn der Vertrag zwischen den unfreiwilligen Partnern ausläuft. Gruner: "Die Frage ist, was passiert dann?" - "Ich bin nicht Zeus", sagt dazu Fundus-Sprecher Otmar Braun.

Tobias Arbinger

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