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Islam zum Ansehen: Die Deckenverzierung der Sehitlik-Moschee in Neukölln.

© Thilo Rückeis

Tag der offenen Moschee in Berlin: „Wir wollen Vorurteile abbauen“

Viele Muslime haben genug davon, mit Terrorismus und Zwangsehen in Verbindung gebracht zu werden. Beim Tag der offenen Moschee warben sie um Sympathien und versuchten, überholte Muster auszuräumen.

Wieso wird in Moscheen eigentlich keine Musik gespielt? Was passiert bei einer islamischen Trauung? Und wie stehen Muslime zum Töten von Menschen? Die Menschen, die am Donnerstag zum Tag der offenen Moschee zur Sehitlik-Moschee kommen, haben viele Fragen. Und Ender Çetin, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins der Moschee am Neuköllner Columbiadamm, sowie viele ehrenamtliche Helfer erweisen sich als auskunftsfreudige, gut gelaunte Gastgeber.

Hunderte Besucher spazieren schon am Vormittag durch das strahlend weiße Gotteshaus mit der imposanten Kuppel und den beiden Türmen, die die meisten hier bisher nur vom Vorbeifahren kannten. Auch zahlreiche andere muslimische Gemeinden haben wieder Führungen, Vorträge und Feiern veranstaltet, mehr als 1000 waren es bundesweit.

„Ich wohne seit 30 Jahren hier um die Ecke, aber ich war noch nie hier drin“, sagt Uwe Giesler. Der 52-Jährige, der bei einer Fluggesellschaft arbeitet, evangelisch-lutherisch geprägt wurde und jetzt bei den Baptisten betet, ist vor allem von Innern der Moschee angetan. „Überwältigend“, sagt er und zeigt auf die mit Ornamenten und Kalligrafien reich geschmückte Kuppel, die zwar in der heutigen Form erst 2004 fertiggestellt wurde, aber osmanischen Bauten aus dem 16. und 17. Jahrhundert ähnelt. Gieseler beeindruckt vor allem die Akustik hier – deswegen stammt die Frage mit der Musik an den Moschee-Vorsitzenden von ihm. Çetins Antwort: Über Musikinstrumente in Moscheen steht im Koran nichts, aber traditionell hat es sich eben so entwickelt, dass in Moscheen nur die menschliche Stimme zählt. „Befremdlich“, findet Gieseler das, ist aber dennoch von dem Besuchertag angetan.

Geruch von frischem Gegrillten und Rosenwasser

Über das Gelände weht der Geruch von frisch Gegrilltem, das es vor der Moschee an Ständen zu kaufen gibt. Außerdem duftet es nach Rosenwasser: Das haben Vereinsmitglieder Besuchern zur Begrüßung auf die Hände geträufelt – eine von vielen betont freundlichen Gesten an diesem Tag. „Wir wollen Vorurteile abbauen“, erklärt Vereinsvorstand Çetin, „wir sind ganz normale Menschen“. Muss man so etwas überhaupt noch betonen? Offenbar: „Es gibt immer noch sehr viele Vorbehalte gegenüber Muslimen, vielleicht sogar mehr als früher“, sagt Çetin. Immer wieder seien sie durch öffentliche Diskussionen und Besucherkommentare mit Vorwürfen bezüglich Terrorismus, Zwangsehen oder Ehrenmorden konfrontiert. „Es gibt noch sehr viele Vorurteile“, sagt Çetin.

Die wollen er und die anderen Vereinsmitglieder mit Gesprächen und freundlichen Gesten abbauen, verbunden mit der Botschaft: „Für uns gehört der Islam zu Deutschland.“ Außerdem will man zeigen, welche Themen aus muslimischer Sicht wichtig sind, zum Beispiel Umweltschutz, das bundesweite Thema des diesjährigen Tags der offenen Moschee. Daher gibt es die frisch gebratenen Lahmacun- und Gözleme-Häppchen auf Tellern, die recycelt werden können, in Gesprächsrunden stellen sich Organisationen wie der von muslimischen Jugendlichen gegründete Umweltschutzverein Hima vor.

Keine Lust mehr auf Rechtfertigung

„Wir wollen raus aus der Rechtfertigungsecke“, sagt Çetin. Dafür sind an diesem Tag viele neugierige Fragen zu beantworten. Die mit der islamischen Hochzeit ist da noch eine der einfachsten: „Mann und Frau sagen Ja zueinander, sprechen Bittgebete vor Zeugen – das war’s“, erklärt Çetin. Und das Töten von Menschen? Da gibt es widersprüchlich scheinende Fundstellen im Koran, sagt der Moscheevorstand. Einerseits stehe dort, wer einen Menschen rette, rette die ganze Menschheit. Andererseits gebe es Verse, die zum Töten von Feinden aufriefen. Die aber seien auf Kriegszeiten gemünzt. Selbstmordattentate zum Beispiel seien nach dem Koran nie gerechtfertigt.

Am Schluss bleibt kaum eine Frage unbeantwortet. Und beim Verlassen des Moscheegeländes gibt es eine letzte, freundliche Geste der Moschee-Mitglieder: Jeder Gast bekommt für den Heimweg einen Obstspieß in die Hand gedrückt.

Die Sehitlik-Moschee ist Berlins größtes islamisches Gotteshaus. Ihr Neubau wurde 2004 am Columbiadamm in Neukölln eröffnet. Auf dem Gelände befindet sich auch der historische Türkische Friedhof, der 1863 angelegt wurde, aber seit den 1980er Jahren nicht mehr benutzt wird. Dennoch finden in dem Bau neben den regulären Gebeten mehrmals täglich Totengebete statt, Verstorbene werden auf die Überführung in die Türkei vorbereitet. Betrieben wird die Moschee von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), die der türkischen Regierung untersteht.

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