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Berlin: Tag des offenen Denkmals: Auf der Suche nach Elektropolis

Dicke Luft schwebte über der Spree. Anwohner rümpften die Nase.

Dicke Luft schwebte über der Spree. Anwohner rümpften die Nase. Einst wurde hier an der Helmholtzstraße Müll verladen. Die Verladestation schob sich in den Fluss. Gebaut wurde sie 1936 nach einem Entwurf des Architekten Paul Baumgarten, damals Leiter der Bauabteilung der Müllabfuhr. Es stinkt längst nicht mehr, in der einstigen Müllstation mit kleinem Hafen arbeitet das weltbekannte Architekturbüro von Josef Paul Kleihues, er selbst will am Sonnabend durchs Haus führen. Nur ein Beispiel von hunderten Angeboten zum Tag des offenen Denkmals, zu dem das Landesdenkmalamt einlädt.

Berlin entdecken - das ist spannend. Auch für Berliner, die glauben, dass sie alles oder fast alles in der Stadt kennen. Beim Tag des offenen Denkmals, der aus drei Tagen von Freitag bis Sonntag besteht, haben sie die Gelegenheit zur Entdeckungsreise. Orte öffnen sich, die sonst kaum zugänglich sind. Der europaweite Tag, der in Berlin zum achten Mal veranstaltet wird, legt diesmal den Schwerpunkt auf Denkmale der Industrie-, Technik- und Verkehrsgeschichte.

Senatsbaudirektor Hans Stimmann und Landeskonservator Jörg Haspel fuhren gestern schon eimmal einige Stationen ab. Am Luisenstädtischen Kanal erinnerten sie daran, dass die malerische Grünanlage, die sich von Mitte nach Kreuzberg erstreckt, ursprünglich als Schiffahrtskanal zur Verbindung von Spree und Landwehrkanal angelegt worden war. Erst in den späten Zwanziger Jahren enstand daraus eine öffentliche Grünanlage. Nach der Wende begann die Gartendenkmalpflege mit der Wiederherstellung, und in wenigen Wochen soll mit dem Aufbau der Rankgitter um das wieder geflutete Engelbecken begonnen werden.

Erhaltene und neu genutzte große Bauten der Schwerindustrie sind in Oberschöneweide zu besichtigen. Am Ufer der Spree war seit Ende des 19. Jahrhunderts im Auftrag der AEG und verwandter Unternehmen ein kilometerlanges Industrie-Ensemble entstanden, das Berlins Ruf als "Elektropolis" begründete. Da Oberschöneweide vielen Bewohnern und Besuchern Berlins weitgehend unbekannt ist, legt der diesjährige Tag des offenen Denkmals einen Schwerpunkt auf den Köpenicker Ortsteil. Nachdem große Teile des Industriegürtels nach 1990 ihre Funktion verloren hatten, wurden - größtenteils unter Regie der Berliner Landesentwicklungsgesellschaft und auch durch europäische Fördermittel finanziert - Altlasten saniert und Gebäude für neue Nutzungen hergerichtet. Andere Produktionsbauten, wie die so genannte Behrens-Halle, warten noch auf ihre Nutzung. Stimmann forderte bei dieser Gelegenheit die Ansiedlung der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Oberschöneweide.

Als gelungenes Beispiel für die Verbindung von traditionsreicher Architektur und zukunftsträchiger Technik gilt das ehemalige Hauptlager des Kabelwerks Oberspree, heute Bestandteil des Handwerker- und Gewerbezentrums Wilhelminenhof. Ein neues Dach überspannt den Komplex und birgt Berlins größte Dach-Solaranlage.

Das Programm für den Tag des offenen Denkmals umfasst weit über 200 Angebote, darunter mehr als 80 Industrie- und Technikdenkmale, die größtenteils gratis und ohne Anmeldung besucht werden können. Aber die ehemalige Müllverladestation des Architekten Kleihues an der Helmholtzstraße 42 ist beispielsweise schon ausgebucht.

Und auch das Programmheft ist nach Auskunft der Senatsbauverwaltung fast vergriffen, trotz der erhöhten Auflage von 110 000 Stück. Offenbar wollen auch viele "Bonner" die Veranstaltungen nutzen, um in Berlin noch heimischer zu werden, vermutete der Senatsbaudirektor. Für aktuelle Auskünfte richtet das Landesdenkmalamt vom 8. bis zum 10. September eine spezielle Telefonnummer ein: 9012-1314/-4863 oder -4850. Weitere Auskünfte sind unter der der Nummer 20359-268/-210 und -294 zu erhalten, allerdings nur zu den üblichen Arbeitzeiten.

Christian van Lessen

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