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Das Stasimuseum mit der Dauerausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" in der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Tag des offenen Denkmals: Das Volk zu Besuch bei Mielke

Auch das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit konnte zum Tag des offenen Denkmals besichtigt werden.

Zum Schluss noch schnell ein Selfie vor dem Schreibtisch des Genossen Minister. Sieht alles aus wie früher, mal abgesehen davon, dass der riesige Panzerschrank früher wahrscheinlich nicht offen und leer war. Es dominiert ein wuchtiger Holztisch mit drei Telefonen, zwei schwarze und ein weißes. Die klobigen Sessel sind FDJ-blau bezogen, der Teppich leuchtet sozialistisch rot. Das Büro befindet sich im zweiten Stock, der offiziell allerdings zum ersten deklariert wurde, weil sich das gehört für die Chefetage.

Der frühere Klassenfeind streichelt Lenins Büste

Und heute? Drängt sich der frühere Klassenfeind ins Allerheiligste, mit Stoffbeuteln, Rucksäcken und um die Hüfte geschlungenen Jacken. Er klopft gegen die roten Marmorsäulen, streichelt den Büsten von Lenin und Marx über den Kopf und staunt über den stillgelegten Paternoster. Erich Mielke hat ihn übrigens nie benutzt, weil er die 41 Stufen hinauf zu seinem Dienstzimmer im Ministerium für Staatssicherheit immer zu Fuß gegangen ist, umschwärmt von seinem Hofstaat. Während das gemeine Volk scheu vorbeischlich an der verbotenen Stadt.

28 Jahre nach Mielkes letzten Arbeitstag stehen hier alle Türen offen. Unter dem Signet „Macht und Pracht“ feiert Berlin am Sonnabend und Sonntag den Tag des offenen Denkmals – im Renaissancetheater und auf dem Olympiagelände, im Haus des Rundfunks oder im Schlosspark Charlottenburg. Und auch im einst geheimen Straßengeviert von Lichtenberg, wo gemäß Selbstdefinition Schild und Schwert der Partei ihren Dienst taten. Bis 1989 war zwischen Frankfurter Allee, Rusche-, Magdalenen- und Normannenstraße die Macht zu Hause, die Pracht nicht so sehr, aber das Ministerium hätte sich ja auch nie träumen lassen, dass es mal als Denkmal besichtigt werden würde.

Erst im Dauerregen entfaltet das Stasi-Städtchen seinen vollen Charme

Das Denkmal kleidet sich durchweg in Beton, meist unverputzt oder mit Gesteinskörnung zu Waschbeton verziert, vereinzelt finden sich auch ein paar bunte Fassaden. Um kurz vor zehn rollt ein dänischer Reisebus auf den Parkplatz zwischen Haus 1 und Haus 22. Die Stasi hatte es in ihrer offiziellen Terminologie nicht so mit wohlklingenden Namen, aber auch so wusste jeder, dass Haus 1 der Amtssitz des Ministers war und Haus 22 gleich gegenüber das Offizierskasino, das alle nur Feldherrnhügel nannten, weil es auf einer leichten Anhöhe steht. Die Dänen tapsen aus dem Bus vorsichtig hinaus in den Berliner Frühherbst. Das Tiefdruckgebiet mit dem schönen Namen Quasimodo wirkt wie bestellt an diesem Samstagvormittag, denn erst im Dauernieselregen entfaltet das Grau im Lichtenberger Stasi-Städtchen seinen vollen Charme.

Mielkes Dienstzimmer ist aus der Distanz nur zu erahnen, aber das liegt nicht an den Regenschlieren, sondern an den dicken Vorhängen vor den Fenstern am mächtigen Erker von Haus 1. Weiter geht es zu Haus 17, dem Torgebäude zur Ruschestraße, durch das am 15. Januar 1990 Tausende Demonstranten stürmten, um die eifrig mit der Vernichtung von Akten beschäftigten Offiziere in den unwiderruflichen Ruhestand zu schicken.

Es war ein dunkler Wintertag, keiner kannte den Weg zu den Archivgebäuden, wo die Schredder heiß liefen. Also strömte alles zum einzigen erleuchteten Gebäude. Zu Haus 18, der ehemalige Versorgungstrakt weiter hinten an der Normannenstraße, wo es ein ministeriumseigenes Kaufhaus mit, nun ja, Luxusgütern gab, einen Speisesaal und ein Geschäft mit Trainingsanzügen, Mützen und Schals des Stasiklubs BFC Dynamo, sozusagen den ersten und einzigen Fanshop der DDR. Lautes Lachen im Publikum. Das mit dem Stasi-Fanshop gefällt auch den Gästen aus Dänemark.

Haus 18 steht seit Jahren leer, die einst für knappe Devisen aus Belgien importierten Fenster mit Bronzetönung sind mit Graffiti beschmiert. Ohnehin hinterlässt das einstige Stasi-Ministerium einen Eindruck von in Beton gegossener Beliebigkeit. Bald 28 Jahre nach dem Mauerfall tun sich Stadt und Bezirk schwer mit dem unheimlichen Erbe. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit, würde hier gern einen „Campus der Demokratie“ errichten.

Der "Campus der Demokratie" kommt nicht voran

Die Idee ist ein paar Jahren alt und findet allseits positive Beachtung. Passiert ist... so gut nichts. Hier und da wird saniert, aber viele Büroflächen stehen leer, Fassaden wittern vor sich hin. Hier stapeln sich Autoreifen, dort versperren aufgeschüttete Kieshaufen den Weg.

Die Dänen kapitulieren vor dem Regen und flüchten unter den Vorbau von Haus 1. Er wurde Ende der siebziger Jahre errichtet, damit niemand aus den angrenzenden Hochhäusern an der Frankfurter Allee beobachten konnte, wann Mielke Tag für Tag zur Arbeit ging. Heute machen die Gäste beim Tag des offenen Denkmals hier ihre Raucherpause.

AM SONNTAG GEHT'S WEITER:

TIPPS ZUM TAG DES OFFENEN DENKMALS

KÖPENICK. Das Kürzel NAG war unter deutschen Autofahrern einst so bekannt wie heutzutage VW. Auf den Spuren des 1918 gegründeten, 1930 mit Büssing fusionierten Herstellers „Neue Automobilgesellschaft“ kann man sich am Sonntag in der Ostendstraße 1-4 begeben, mit Besichtigung des Lichthofs und des Konferenzsaals, samt Turmbesteigung. Treffpunkt am Eingang um 10, 11, 12, 13, 14 und 15 Uhr.

ZEHLENDORF. Im ehemaligen US-Hauptquartier wurden einst die Geschicke West-Berlins maßgeblich bestimmt, heute entstehen dort Wohnungen. Die Außenanlage an der Clayallee 170 - 172 / Saargemünder Straße 25, ist heute zwischen 11 und 16 Uhr geöffnet. Um 11, 13 und 15 Uhr sowie nach Bedarf gibt es Führungen zur Baugeschichte, Architektur und Umnutzung. Treffpunkt: Clayallee 174.

TIERGARTEN. Die alte Kongresshalle in der John-Foster-Dulles-Allee 10 kennt jeder, aber ihre Gartenanlagen? Heute um 15.30 Uhr kann man sie erkunden. Treffpunkt ist um 15.30 Uhr der Vorplatz am Wasserbecken.

PANKOW. Der Wiederaufbau des Turmaufsatzes der Schlosskirche Buch ist das Thema einer Führung an diesem Sonntag um 11, 13 und 15 Uhr. Um 13 Uhr gibt es zudem einen Vortrag sowie eine Ausstellung zur Baugeschichte ist zu besichtigen. Treffpunkt vor der Kirche, Alt-Buch 37.

PRENZLAUER BERG. „Pfefferberg-Geschichte(n)“ gibt es heute um 10 und 12 Uhr in der ehemaligen Brauerei Pfefferberg. Treffpunkt ist am Eingang Schönhauser Allee 176.

KREUZBERG. Im Deutschen Patent- und Markenamt, Gitschiner Straße 97-103, gibt es heute um 10, 11.30 und 13 Uhr einen Einblick in das historische Gebäude und die Anfänge des Patentwesens in Deutschland. Treffpunkt ist das Foyer, bitte Ausweis mitbringen.

MITTE. Das Untergrundmuseum U144 in der Linienstraße 144 bietet heute um 14 Uhr eine Führung an.

Weitere Tipps, geordnet nach Stadtteilen, unter www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/denkmaltag2017

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