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Berlin: Tagebau Kabinett – Wein aus Lausitzer Landen

In einer ehemaligen Braunkohlegrube beginnt dieser Tage die erste Lese Bald sollen Reben auf einem künstlichen Berg gedeihen

Welzow - Sie schmecken süß, sind prall von Fleisch und wachsen in einer eher ungewöhnlichen Umgebung: Weintrauben aus der Lausitz, genauer gesagt aus einem ehemaligen Kohletagebau. In Welzow bei Cottbus beginnt dieser Tage die Lese auf einer mit mehreren hundert Rebstöcken besetzten Versuchsfläche. „Die Öchsle- Zahlen stimmen mich für die Qualität sehr optimistisch“, sagt Uwe Zeihser von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. „Schließlich liegen die damit ausgedrückten Mostgewichte im Traubensaft mit 90 bis 110 Grad Öchsle weit über dem deutschen Durchschnitt.“

Für den Agraringenieur kommt diese hohe Qualität nicht überraschend. Die Lausitz zähle zu den sonnenreichsten Gegenden Deutschlands. In den vorwiegend vegetationsarmen Landschaften im Kohlerevier steige die Temperatur an wolkenarmen Tagen stets rasch an, was dem Wachstum der Trauben zugutekomme. „Außerdem können wir einen ausgesprochen mineralreichen Boden mit einem hohen Tongehalt nutzen“, erklärt Zeihser. „Dieser wird beim Aufschluss eines neuen Tagebaus direkt an der Oberfläche abgebaggert und separat gelagert.“ Daraus könnten die Rebstöcke der weißen Sorten „Merzling“ und „Ortega“ sowie der roten „Rondo“ viel Kraft ziehen.

Angesichts der guten Ergebnisse auf der Versuchsfläche steht dem ersten großen Weinanbaugebiet in der Lausitz seit mehr als 125 Jahren nichts mehr im Wege. Denn das Forschungszentrum Bergbaulandschaften der BTU Cottbus und das Energieunternehmen Vattenfall Mining Europe als Eigentümer der Bergbauflächen planen bis 2010 einen künstlich aufgeschütteten Berg mit 22 000 Rebstöcken. Den Namen dafür haben die Partner schon gefunden: Wolkenberg. Der erinnert an ein längst im Tagebau Welzow- Süd verschwundenes Dorf. Bei der Anlage des 30 Meter hohen Hügels wird von vornherein auf die Südausrichtung des Haupthanges geachtet, um so viel Sonneneinstrahlung wie möglich zu erreichen.

Der fünf Hektar große Wolkenberg würde die derzeitige Brandenburger Weinanbaufläche fast verdoppeln. Sechs Hektar befinden sich in der Havelstadt Werder, ein knapper weiterer Hektar liegt am Rande von Schlieben bei Herzberg. In Guben an der Neiße, in Neuzelle an der Oder, in Annenwalde in der Uckermark und an einigen anderen Orten gibt es kleinere Flächen.

Gekeltert werden soll der Lausitzer Wein in Sachsen. Und da die EU wegen der Überproduktion keine weiteren Weingebiete erlaubt, schließen sich die Bergbau-Winzer den sächsischen Kollegen zwischen Radebeul und Meißen auch weinrechtlich an. Die haben zwar auch keine freien Rebflächen, arbeiten aber eng mit Rheinland-Pfalz zusammen. Dort gibt es noch Reserven, die im „innerdeutschen Handel“ auf dem Papier ausgetauscht werden können. Die deutsche Anbaufläche würde sich durch den Wolkenberg also nicht erhöhen. Gleichzeitig will das Potsdamer Agrarministerium die Anerkennung der Marke „Brandenburger Landwein“ für die Lausitz erreichen.

Die BTU Cottbus und Vattenfall preisen ihre Idee nicht zuletzt als Alternative für die Rekultivierung ehemaliger Tagebaugebiete an. Bislang werden die Gruben hauptsächlich geflutet oder aufwendig mit Abraum gefüllt, um sie danach aufzuforsten oder als Felder zu nutzen. „Jetzt ergibt sich hier womöglich eine neue Perspektive für die Gegend“, sagt Projektleiter Zeihser. Der Klimawandel komme den neuen Weinbauern dabei sehr entgegen.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Brandenburg noch rund 550 Hektar Weinanbaufläche. Vielerorts erinnern Namen wie „Weinbergstraße“ oder „Am Weinberg“ an die Tradition. Doch sinkende Durchschnittstemperaturen, der Wegfall der Zollschranken, der Ausbau der Eisenbahnverbindungen nach Süddeutschland und das massenhafte Auftreten der gefräßigen Wurzelreblaus machten den märkischen Wein schließlich wertlos.

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