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Berlin: „Tagelang im Einsatz, null Ahnung wozu“

Berliner Polizisten, die 2002 US-Präsident Bush in Berlin schützten, waren nun in Mainz – ihr Vergleich

Dass man für Besuch unterschiedlich viel Aufwand betreiben kann, hat der gerade zu Ende gegangene Aufenthalt von US-Präsident George W. Bush in Mainz gezeigt: Die Stadt am Rhein wurde nahezu komplett in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Als der US-Präsident im Mai 2002 in Berlin zu Gast war, hatte es noch gereicht, zwei Tage lang das Adlon Hotel und den Pariser Platz abzusperren. Mit dabei waren damals die Männer und Frauen von der 22. Einsatzhundertschaft (EHu) der Berliner Bereitschaftspolizei. Sie waren auch jetzt in Mainz dabei, zusammen mit Kollegen von anderen EHus, 350 Berliner Beamte waren insgesamt nach Mainz gereist. Polizeihauptmeister Raymund Czeczka (35) von der 22. EHu sagt: „Wir sind ja inzwischen eine Art Leibgarde George Bush.“ Aber anders als im Mai 2002 war der Einsatz am 23. Februar erstens klimatisch wenig angenehm – und zweitens organisatorisch in die Kritik geraten.

Was Berliner Polizisten erlebten: Mittwochmittag, 23. Februar 2005. Seit mehr als sechs Stunden standen Czeczka und seine Kollegen da schon in Mainz Spalier für die Sicherheit von George W. Bush, zusammen mit den Kollegen der 13. EHu sowie der Hundertschaft der Direktion 4. Alle sieben Meter war eine Berliner Uniform an der inneren Absperrlinie am Schloss zu sehen. Jeweils eine Stunde standen sie da. Es war eiskalt, immer wieder rieselte Schnee aus dem grau-verhangenen Himmel. Danach eine Stunde Aufwärmen im Gruppenkraftwagen (GruKW). Insgesamt dauerte der Einsatz in Mainz drei Tage, insgesamt waren 15000 Beamte im Einsatz, anderthalb Mal so viele wie im Mai 2002 beim Bush-Besuch in Berlin. Sie haben in Mainz eine komplette Region samt Autobahnen, Flugverkehr und Schifffahrt lahmgelegt.

Raymund Czeczka und seine Kollegen standen „Rücken zur Schutzperson, Gesicht zum Störer“ an der Straße. Die meiste Zeit starrten sie Hauswände an, gut einen Meter hinter den Absperrgittern – und dabei hatten sie Zeit zu vergleichen. „Wir hätten die Gitter direkt an die Häuser gestellt“, sagt Axel Last, Chef der 22. EHu, das koste weniger Einsatzkräfte. In Mainz hätten zwar theoretisch die Bürger an den Häusern entlanggehen können, aber in der inneren Zone durfte sich ohnehin kein normaler Bürger bewegen. Im Grunde ein Glück. Wäre es zu Ausschreitungen gekommen, hätte sich sicher gerächt, dass die Absperrgitter verkehrt rum aufgestellt worden waren – mit dem Tritt zur Polizei.

In Berlin, der „Demo-Hauptstadt“, ist man mehr Gelassenheit gewöhnt. Hier führen selbst Gewaltrituale wie der Kreuzberger 1.Mai nicht dazu, aus der ganzen Stadt eine Festung zu machen. Berliner Polizisten erledigen zusätzlich pro Jahr etwa 250 hochkarätige Besuche, einige mit höchsten Gefährdungsstufen, und oft heftigen Gegenkundgebungen. Die Kooperation mit Bundeskriminalamt und Auswärtigem Amt ist eng und jahrelang eingespielt – so etwas verschafft sowohl der Polizei als auch der Politik vor Ort ein anderes Standing gegenüber Sonderwünschen ausländischer Staatsgäste. Dass ein amerikanischer Sicherheitsmann auf deutschem Boden den Bundeskanzler zurückschiebt, wäre in Berlin undenkbar, ebenso die Leibesvisitation der Spitzen der Landespolitik.

Erstaunt reagierten die Berliner dagegen auf die Lockerheit, mit der man in Mainz mit Honoratioren umging, die keinerlei Akkreditierung für die Sicherheitszone haben. „Wenn so jemanden an den Kontrollstellen wirklich einer kennt, kommt der eben rein“, stellten die Berliner fest. Hier undenkbar.

Umgekehrt muss man in Berlin nicht Wochen vorab die Fahrtroute bekannt geben – man hat zwei, drei Varianten, die tatsächliche Route bleibt bis zum Schluss geheim. Zwischen Mainz und Frankfurt gibt es nur einen kurzen Weg, und der führt über die Theodor-Heuss-Brücke. Deshalb waren am 23. Februar auf dem Rhein nur Schnellboote der GSG 9 und die Wasserschutzpolizei unterwegs.

Die Brücke hatte man im Blick von der Befehlszentrale des „Unterabschnitts innere Absperrung“ aus. Die war im vierten Stock eines leeren ehemaligen Bankgebäudes hinter dem kurfürstlichen Mainzer Schloss. Ein Dutzend Beamte saßen um einen riesigen Tisch herum oder schwirrten durch den Raum. Die Laptops, Drucker und die beiden mobilen Funkplätze hatten sie mitgebracht, ebenso die Heizlüfter, die unterm Tisch die Luft verquirlten. In einer improvisierten Sessel- und Holzbank-Landschaft saßen fünf Rettungssanitäter und ein Notarzt, ebenfalls mitgebracht. Es ist niemandem ein Ohr abgefroren, obwohl irgendeine höhere Stelle verfügt hatte, dass alle Einsatzkräfte beim Bush-Besuch Barett tragen und nicht die Wintermütze. Einige Beamte waren ständig unterwegs zwischen der Befehlszentrale des Mainzer Polizeipräsidiums, in dem rund 30 Beamte inklusive BKA und BGS unter Hochspannung stehen, und den Berliner Kollegen draußen in der Eiseskälte.

Gelobt wurde die Unterbringung: 50 Beamte durften in ein Vier-Sterne-Hotel, die anderen wohnten in einer Polizeischule, die Axel Last eine „echte Fünf-Sterne-Unterkunft“ nannte: „Einzelzimmer, Sanitäranlagen erstklassig, und Beamer haben die Kollegen uns auch sofort beschafft, das hätte in Berlin ewig gedauert.“

Ein paar Mal im Jahr machen sie solche Einsätze. Wer das Riesentheater diesmal beschlossen hat? Vermutlich die Amerikaner. Die Polizeiführung bekommt ihre Vorgaben schließlich von der Politik. Dass sich manche US-Secret-Service-Leute aufgeführt haben wie Repräsentanten einer Kolonialmacht, war im Fernsehen zu sehen. Dass einen Tag später den Bürgern im slowakischen Bratislava, im Gegensatz zu den Mainzern, ein Bush-Bad in der Menge vergönnt war, obwohl er da auch noch der höchstgefährdete Mensch der Welt war, ebenfalls.

Aber was soll’s. Raymund Czeczka denkt laut über T-Shirts mit dem Aufdruck „Bibbern für Bush“ nach und verbucht, auch wenn’s mathematisch knirscht, zur Freude aller solche Einsätze unter der Nummer 11-88-0: „Elf Tage im Einsatz, 88 Stunden in derselben Unterhose und null Ahnung, wozu.“

Pieke Biermann

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