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Voll Hoffnung. Chefärztin Christine Klapp (r.), Leiterin des Projektes "Babylotse plus Charité", und eine der Babylotsinnen, Nurina Nazmy.

© Doris Spiekermann-Klaas

Update

Tagesspiegel-Aktion "Menschen helfen!": Babylotsen brauchen Spenden

Die Babylotsinnen des Virchow-Klinikums helfen jungen Eltern. Der Ort, an dem das geschieht, strahlt aber nur Kälte aus. Das soll sich ändern, dafür wird um Spenden gebeten,

Die riesigen Brombeeren an der Wand sind eine Schattierung dunkler als die überdimensionale Blaubeere, die über den Brombeeren liegt. Der Unterschied ist marginal, dunkelblau sind beide Früchte. Ein düsteres Blau, es strahlt keine Wärme aus. Aber immerhin, es ist Farbe. Auch wenn sie nur auf einem Plakat an der weißen Wand zu sehen ist. Ansonsten wirkt der Aufenthaltsraum auf Station 37 so nüchtern wie ein Straßenpoller. Ein Tisch mit Glasplatte, vier Stühle, ein Schrank. Das war’s.

Überforderte Eltern

Hier finden emotionale Gespräche statt, hier geht es um Einfühlungsvermögen, um sanfte, aufmunternde Töne. Hier reden die Babylotsinnen des Moabiter Virchow-Klinikums mit jungen, oft überforderten Vätern und Müttern. Hier werden Eltern und alleinerziehende Frauen getröstet und aufgemuntert. Aber die Atmosphäre wirkt so, als würde man im Arbeitszimmer ein Gala-Diner servieren. Dem Raum fehlt jene Wärme, die emotional Halt gibt.

Christine Klapp steht vor der Glaswand des Zimmers, sie lächelt einigermaßen gezwungen und sagt: „Wir würden den Raum gern aufhübschen. Die Menschen sollen sich geborgen fühlen.“ Die Oberärztin leitet das Projekt „Babylotse und Charité“. Sie füllt damit eine Grauzone. Den emotionalen Raum, der zwischen jenen Müttern und Eltern liegt, die problemlos mit ihren auf Station 37 geborenen Babys in den Alltag eintauchen, und jenen, die so depressiv oder erkennbar überfordert sind, dass sich der krankenhauseigene Krisendienst automatisch um sie kümmert. In dem Raum, den Babylotsen – in diesem Fall zwei Frauen – abdecken, geht es viel um Bauchgefühl, um die Fähigkeit, Probleme zu erspüren. Denn auch Eltern von Frühgeborenen, die womöglich noch operiert werden müssen, haben große Sorgen.

Depressionen, ein Kind verloren

Sie sorgen dafür, dass Mütter und Eltern nach der Geburt von Problemen nicht überrollt werden – langsam, aber sicher. Eine alleinerziehende Mutter benötigt eine Haushaltshilfe? Eine Babylotsin vermittelt eine. Eine Mutter mit depressiven Zügen benötigt eine Hilfseinrichtung, an die sie sich wenden kann? Eine Babylotsin gibt ihr Name und Adresse.

Gerade hatte Christine Klapp eine alleinerziehende Mutter betreut, die Depressionen hatte. Eine Babylotsin vermittelte ihr eine Hebamme, die sie ein Jahr lang begleiten wird. Das Hauptziel ist immer das Kindeswohl. „Alle unsere Eltern und Mütter wollen gute Eltern sein“, sagt Christine Klapp. Aber der Alltag mit einem Baby bringt auch ausgeglichene, in festen Strukturen lebende Menschen mitunter an ihre Grenzen. Menschen, die wenig Geld, bereits mehrere Kinder in ganz jungem Alter haben oder früher in der Schwangerschaft ein Baby verloren, überschreiten nicht selten diese Grenze. Unbewusst, aber für den Schaden, den das Kind davonträgt, ist das unerheblich.

„Überforderung kann zu Resignation oder Aggressivität führen“, sagt die Oberärztin. „Dann kann es sein, dass ein Baby geschüttelt wird, mit schlimmen Folgen.“ Aber oft geht es gar nicht um körperliche Schäden. „Wir wollen vor allem, dass die Bindung zum Kind gut wird.“

Sozialpädagoginnen helfen

Die beiden Babylotsinnen im Virchow-Klinikum sind Sozialpädagoginnen. Sie erkennen auf verschiedene Weise jene Menschen, um die sie sich kümmern müssen. Der einfachste Weg ist der Aufnahmebogen, der mit den Müttern ausgefüllt wird. Hat eine Mutter psychische oder finanzielle Probleme, hat sie mehrere Kinder unter fünf Jahre, ist sie alleinerziehend? Je mehr Punkte angekreuzt werden, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass eine Überforderung droht.

Der zweite Indikator sind die Krankenschwestern. Die sehen die jungen Mütter mit ihren Babys und erkennen schnell, ob eine Mutter bloß erschöpft oder dauernd geistesabwesend ist. Sie registrieren, wenn eine Mutter ihr Baby selten im Arm hält. Sie spüren, wenn eine Mutter wenig emotionale Bindung zum Kind entwickelt. Dann benachrichtigen sie eine Babylotsin. 5000 Geburten hat das Virchow-Klinikum im Jahr, 550 Gespräche haben die beiden Babylotsinnen allein im vergangenen halben Jahr geführt. Auch, damit sich Vater und Mutter besser in ihren Bedürfnissen kennenlernen.

360 Fälle haben die Expertinnen, davon auch einige Ehrenamtliche, allein von Januar bis August 2013 an den Sozialdienst weitervermitteln können. Die Babylotsinnen stehen grundsätzlich jedem zur Verfügung. Nach ihnen können auch Eltern fragen, die keine Probleme haben, die nur einen Rat, eine Einschätzung benötigen. Aber die Gespräche finden immer in dem nüchternen Aufenthaltszimmer statt oder im Stillraum. Der sieht nicht viel wohnlicher aus. „In den müssten wir ein Sofa stellen“, sagt Christine Klapp. Das Spendengeld würde sie dafür verwenden, den Räumen eine Atmosphäre von Geborgenheit zu geben.

Als sie vor der Glaswand des Aufenthaltszimmers steht, sitzt eine Familie – Vater, Mutter, Oma, Kleinkind – am Tisch. Der Junge spielt mit einem Stofftier. Mehr Farbe bringt das allerdings nicht in den Raum: Das Tier ist weiß.

Spenden bitte an: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942,

IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42, BIC: BELADEBE; Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren.

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