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Vereinsvorsitzender Engelbert Diegmann (l.) und Raphael Hampel, Kapitän der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft im Tischfußball und Weltmeister.

©  Agnieszka Budek

Tagesspiegel-Spendenaktion "Menschen helfen!": Einmal Kickern mit dem Weltmeister

Der Verein „So viel Freude“ stellt Fußball-Tische in Krankenhäuser und lässt einen Profi gegen schwerkranke Kinder spielen. Der Verein bittet bei der Tagesspiegel-Aktion „Menschen helfen!“ um Spenden.

Die Verteidiger stehen gut platziert, sie schirmen ihr Tor so ab, dass kaum noch eine Lücke frei ist. Keine Frage, Engelbert Diegmann hat am Spielfeldrand gute Arbeit geleistet, seine Fußball-Mannschaft kann den gegnerischen Angriff gelassen abwarten.

Es gibt da nur ein kleines Problem. Ein Stürmer der gegnerischen Mannschaft schießt den Ball derart hart und scharf, dass er vom Tor direkt wieder ins Spielfeld zurückprallt. Die Verteidiger haben kaum Zeit zu reagieren.

Kickern gegen den Kapitän der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft

Tja, so ist das, wenn man gegen Raphaels Hampels Mannschaft spielt, da knallen einem die Bälle um die Ohren, dass einem Hören und Sehen vergeht. Aber Hampel trägt ja auch dieses Trikot, mit dem Deutschland-Logo und der Aufschrift „Deutschland“. Raphael Hampel ist Kapitän der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft im Tischfußball, er ist auch Junioren-Weltmeister, einen wie Engelbert Diegmann erledigt der 18-Jährige mit ein paar lässigen Handbewegungen. Da nützt es auch nichts, dass Diegmann Jugendwart des Deutschen Tischfußball-Verbands ist.

Sie spielen in der Mukoviszidose-Abteilung des Virchow-Klinikums in Wedding, neben einer roten Spielzeug-Giraffe, einer Rennbahn, einem Plüsch-Tiger und einer Dampflokomotive. Rund um Diegmanns Beine kurvt plötzlich ein kleiner Junge mit seinem Bobbycar. Der Kickertisch steht direkt vor dem Kinderzimmer der Mukoviszidose-Abteilung.

Zwei Stunden später spielt Hampel hier mit Kindern, mit schwer kranken Patienten, die ein paar Minuten ihre Probleme vergessen, die mit leuchtenden Augen am Tisch stehen und Bälle knallen.

Bunte Momente für kranke Kinder

Hampel und Diegmann stehen für ein besonderes Hilfsprojekt. Diegmann ist auch noch Vorsitzender des Vereins „So viel Freude“ , gegründet im Mai 2017. Der Verein stellt Kickertische in Kinderstationen von Krankenhäusern auf, er sorgt dafür, dass krebs- und herzkranke Kinder ein paar bunte Momente in ihrem oft seelisch trostlosen Alltag erleben. Denn ihre Diagnosen, die sie ertragen müssen, der Wechsel ins Krankenhaus, das alles greift brutal ins gewohnte Leben ein. „Bei den Kindern bricht sofort das ganze gewohnte Spielsystem zusammen“, sagt Diegmann. „Das Kinderzimmer ist weg, die Spielsachen, die Freunde.“ Leere bleibt, seelische Leere, auch wenn Eltern zu Besuch kommen und Ärzte sich um die jungen Patienten kümmern.

Ein Teil dieser Leere füllen, das ist Diegmanns Anliegen. Dafür bittet er um Spendengeld für seinen Verein. Neun Tische hat „So viel Freude“ in Krankenhäusern in Berlin bereits aufgestellt, 17 weitere sollen folgen. „Wir wollen alle Gebiete der Stadt abdecken“, sagt Diegmann. Es gibt noch Lücken in seinem geografischen Plan. Im Südosten zum Beispiel, sagt Diegmann, seien noch viele Krankenhäuser ohne die Spielfelder auf vier Beinen. Ein normaler Tisch kostet 700 Euro, ein rollstuhlgerechter 1300 Euro. „Sie sind alle qualitativ hochwertig, das ist wichtig, sie sollen ja lange halten. Und diese Tische halten zehn Jahre.“

Hampel lag als Kind auch lange im Krankenhaus

Raphael Hampel füllt auch einen beträchtlichen Teil dieser Leere. Er spielt mit den Kindern, weil sich bei ihm Bundes-Freiwilligen-Dienst (Bufdi) und Tischfußball verzahnen. Der Deutsche Tischfußball-Verband hat, auf Diegmanns Betreiben, Leute gesucht, die ihren Bufdi-Dienst absolvieren und Lust haben, in Krankenhäusern mit Kindern zu spielen. Diegmann lag selber mal lange im Krankenhaus, er kennt die endlosen, langweiligen Stunden. Die will er Kindern ersparen.

Junioren-Weltmeister Hampel ist nun an verschiedenen Krankenhäusern im Einsatz: in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Vivantes Klinikum im Friedrichshain, in der Onkologie des Klinikums Buch, in der Mukoviszidose-Abteilung des Virchow Klinikums in Wedding.

Einen Tag vor dem Duell mit Diegmann hat er gegen einen 14-Jährigen mit Hirntumor gespielt. Einer dieser Patienten, die jäh aus ihrem Alltag gerissen wurden. Der Alltag: Das war Karate-Training, das waren unbeschwerte Stunden mit Freunden. Der Alltag jetzt, das ist ein Leben im Rollstuhl. Der 14-Jährige kann nur schwer sprechen, er sieht auf dem linken Auge eingeschränkt und wirkt zerbrechlich. „Aber er hat erstaunlich gut gespielt“, sagt Hampel. Rund eine halbe Stunde haben die beiden gegen den Ball geknallt.

Eltern sind immer mit dabei

Drei- bis fünf Mal am Tag spielt Raphael Hampel. Auch andere Bufdis stehen am Tisch, auch sie vermittelt von Diegmanns Verband. Die jeweilige Klinik sucht die Kinder aus. Sie müssen Lust haben, diese Kinder, sie müssen auch körperlich dazu in der Lage sein. „Viele sind ja durch die Krankheit erschöpft, die halten nur ein paar Minuten durch“, sagt Hampel. Die Eltern, zumindest aber Vater oder Mutter, sind immer dabei. Das ist wichtig, die Kinder müssen das Gefühl haben, das sie ganz loslassen können.

Bei einem krebskranken Kind endete das Duell mit Hampel nach zehn Minuten. Der Junge hatte Probleme mit seiner Hüfte, er hatte nur wenig Kraft, er war zu erschöpft von der Bestrahlung. Aber in diesen zehn Minuten genoss er jede Sekunde.

Hampel sieht, wie sehr diese Kinder Lust haben, er sieht die Freude, die er mit diesem Spiel machen kann. „Vielen ist es völlig egal, dass ich Weltmeister bin, die wollen nur Spaß haben.“ Er sorgt dafür, dass sie den bekommen. Und er stellt auch fest, „dass viele offen über ihre Krankheit sprechen“.

Nicht nur Spaß

Der Junioren-Weltmeister bringt den Kindern auch Tricks bei. Den „Jet“ zum Beispiel, ein Schuss, der ziemlich leicht zu lernen ist und bei dem vor allem der Ball besonders laut knallt, wenn er ins Tor trifft.

Doch es gibt diese Momente, in denen der 18-Jährige jäh aus dieser fröhlichen Stimmung gerissen wird. Das sind die Sekunden, in denen er in die Augen einiger Eltern blickt. Trauer sieht er dann, tiefe Trauer, über das Schicksal ihrer Kinder. „Das sind Momente, die einen besonders berühren.“ Doch diese Eltern bedanken sich auch: „Danke, dass Sie sich so viel Zeit für unser Kind genommen haben“, sagen sie dann zu Hampel.

Doch der Spaß ist nur eine Seite dieses Jobs. Der Umgang mit schwerkranken Kindern ist ja auch eine psychische Belastung. „Raphael erhält, wenn er das wünscht, professionelle Supervision“, sagt Diegmann. „Es sind mehrere Leute im dauernden Austausch mit ihm.“ Zudem achtet die Arbeiterwohlfahrt auf den 18-Jährigen, sie führt den Bufdi Hampel, sie hat eine Fürsorgepflicht. Aber der Junioren-Weltmeister ist durch seine Trainings- und Wettkampferfahrung psychisch robust, er macht nicht den Eindruck, als würde ihn die Arbeit mit den Kindern über Gebühr belasten.

Mediziner, sagt Diegmann, freuten sich über die Kickertische. „Es gab Fälle, da flossen Tränen, wenn wir unsere Tische aufgestellt haben. Dann erzählt er vom Chefarzt einer Kinderklinik. „Der sagte, dass sich Kinder mit Krebs und anderen schweren Erkrankungen nach kurzer Zeit als Verlierer empfinden und ihr Selbstbewusstsein immer weiter sinkt. Wenn man dann ein paar Tore gegen den Weltmeister schießen kann, dann ist das schon eine coole Sache für die.“

Helfer gesucht, Spenden erwünscht

Und damit es noch für mehr Kinder als bisher eine coole Sache ist, sucht Diegmann noch dringend Helfer. „Wer Lust hat, Tischfußball in den Krankenhäusern zu spielen, ist herzlich willkommen.“ Er muss ja nicht so gut spielen wie Hampel. Der lässt seine Gegner Tore schießen, aber er achtet schon darauf, dass er am Ende siegt. Es wäre ja auch unglaubwürdig, wenn Laien gegen einen Junioren-Weltmeister gewännen. Auch der Junge mit dem Hirntumor hat am Ende gegen Hampel verloren, aber diese Niederlage dürfte ihm herzlich egal gewesen sein. Er ist auf dem Weg zu einem viel wichtigeren Sieg, zum größten in seinem bisherigen jungen Leben. Denn nach dem Duell erzählt sein Vater dem Junioren-Weltmeister Hampel glücklich: „Mein Junge wird wieder vollständig gesund.“

Das Spendenkonto der neuen Aktion 2017/18, die am 1. Advent gestartet ist: Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse, BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42. Bitte Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. Auch Online-Banking ist möglich.

Für unsere Jubiläums-Spendenaktion zu 25 Jahre „Menschen helfen!“ haben wir in der Runde 2017/18 insgesamt 58 soziale Projekte vor allem in Berlin und Brandenburg ausgewählt. Aber auch im Ausland helfen wir wieder, gemeinsam mit unserem tradtionellen Partner Deutsche Welthungerhilfe. In unserer Spendenserie stellen wir ausgewählte Initiativen stellvertretend für alle anderen vor, für die wir die Leserinnen und Leser nun um Spenden bitten. Heute: der Verein „So viel Freude“ mit seinem Tischkickerprojekt für schwerkranke Kinder in Kliniken.

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