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Berlin: Tagungshotels: Als Abenteurer lernen

"Vielleicht sollten wir mal tiefenpsychologisch ausdiskutieren, warum unser Chef in der Mitte steht", meint einer von fünf Managern spöttisch. Er steht am Ende eines Baumstammes, der von ihm und seinen Kollegen wie eine Wippe in der Schwebe gehalten wird.

"Vielleicht sollten wir mal tiefenpsychologisch ausdiskutieren, warum unser Chef in der Mitte steht", meint einer von fünf Managern spöttisch. Er steht am Ende eines Baumstammes, der von ihm und seinen Kollegen wie eine Wippe in der Schwebe gehalten wird. Anschließend fordert der Seminarleiter die fünf auf, sich in alphabetischer Reihenfolge ihrer Vornamen aufzustellen, ohne vom Stamm herunterzusteigen oder ihn außer Balance zu bringen. Wie wechselt man jetzt die Plätze? Fasst man sich an den Händen und hangelt sich aneinander vorbei, oder zeigt man Berührungsängste und sucht einen anderen Weg, die Aufgabe zu lösen?

Die Übung ist Bestandteil eines teambildenden Seminars, das die Firma Adventure Team Train (ATT) anbietet. Es findet statt in der Abgeschiedenheit des Conference Hotels Döllnsee-Schorfheide. In drei Tagen will sich ein Management-Team von Daimler-Chrysler, das vor einer "strategischen Neuausrichtung" steht, näher kennen lernen und teamrelevante Eigenschaften der Mitarbeiter herausfinden. "Bei einigen Konzernen gehören diese Seminare zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur", sagt die Bankettleiterin des Conference Hotels, Antje Böhnhardt. Schering, Siemens, die Telekom, Daimler-Chrysler und Rolls Royce sind regelmäßige Kunden des Tagungshotels.

Ungefähr 20 Mal im Jahr führt das ATT Outdoor-Seminare am Döllnsee durch. Die Nachfrage nach diesen Kursen sei sogar noch höher. Doch die Kapazitätsgrenzen des Hotels für solche Seminare sind erreicht. ATT arbeitet deshalb auch mit dem Seminaris Hotel in Potsdam zusammen.

Seit einigen Monaten hat auch Outdoor Unlimited, ein Personalentwicklungsunternehmen, eine Zweigstelle im advena-Hotel Bollmannsruh nahe Brandenburg an der Havel eröffnet. Ein weiterer großer Anbieter ist das weltweit verzweigte Bildungsunternehmen Outward Bound im Schloss Kröchlendorff in der Uckermark. "Die Zahl der Tagungshotels in Brandenburg, die Outdoor-Seminare anbieten, wächst", sagt Christof Tänzler, Pressesprecher der Brandenburg Tourismus Marketing (BTM). "Für die Hotels ist es ein Zusatzangebot, das ihre Attraktivität bei den Firmen steigert - und für bessere Auslastung sorgt.

Inzwischen haben die Daimler-Chrysler-Manager ihre eigenen Wege gefunden, die Aufgabe zu lösen. Einer nimmt seinen Kollegen Huckepack. Die anderen setzen sich auf den Stamm, die Beine immer in der Luft, und lehnen sich zurück, damit der Kollege vorbeisteigen kann. "Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Möglichkeiten es gibt, die Aufgabe zu lösen", sagt Grätsch. "Und was das über die Gruppe aussagt."

Outdoor-Seminare werden oft als bloße Incentive-Maßnahmen mit Gruppenspaß und Abenteuer-Einlagen in der freien Natur angesehen - sozusagen eine Belohnung für verdiente Mitarbeiter. "Bei unseren Seminaren geht es aber nicht darum, den ultimativen Kick zu erleben", sagt Oliver Grätsch von ATT. Vielmehr versucht der Seminarleiter, gruppendynamische Prozesse aus dem Firmenalltag in diesen Seminaren abzubilden, Problemlösungen zu erarbeiten und die Inhalte so aufzubereiten, dass die gemachten Erfahrungen möglichst wieder mit zurück in die Firma genommen werden können. Die Seminare finden je zur Hälfte drinnen und draußen statt. Die im Kletterseilgarten oder beim Floßbau entstandenen Situationen werden anschließend in der Gruppe analysiert und auf den Betrieb übertragen.

In diesen Übungen zeige sich, wer seine Kollegen gut motivieren kann, wer gut darin ist, Strategien zu entwerfen und auch, wer einen Schritt zurücktreten kann, um eben jene Strategien kritisch zu durchleuchten. Aufkommender Gruppendruck, etwa wenn sich einer der Teilnehmer auf das zwölf Meter hohe Kletterseil wagt und dann doch nicht weiter traut, müssen vom Seminarleiter erkannt und angesprochen werden. "Denn es geht nicht unbedingt darum, eine Übung zu meistern, sondern vielmehr darum herauszufinden, wie die Gruppe auf eine solche Situation reagiert", sagt Grätsch. Die ATT-Mitarbeiter kommen deshalb nicht aus der Sport- und Freizeitbranche, sondern aus der betrieblichen Weiterbildung.

Die Daimler-Chrysler-Manager haben ihre Übung gemeistert und stehen in alphabetischer Reihenfolge auf dem Baumstamm. Der Seminarleiter hat das Ganze fotografiert. Und neben den Erkenntnissen, die die Gruppe jetzt mitnehmen kann, dürfte sich da so mancher Manager später als Schnappschuss bei den Kollegen wiederfinden.

Harald Olkus

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