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Berlin: Tannen-Zank unter Laubenpiepern

Seit Anfang April sind größere Nadelbäume nicht mehr vor der Axt geschützt

So ein Garten ist ja was Schönes. Blüht und rankt und wächst es üppig, dann freut sich der Gärtner. Aber so gut er auch düngt, so grün sein Daumen auch ist – nie kann es dort so dicht wuchern wie das Gestrüpp der Vorschriften. So hat auch die neue Berliner Baumschutzverordnung zu einiger Verwirrung geführt. Sie ist seit dem 2. April in Kraft (wir berichteten) und hat, vereinfacht gesagt, zum Inhalt, dass Bäume jetzt leichter gefällt werden dürfen. Vor allem sind fast alle Nadelbäume aus dem Schutz herausgefallen, dürfen also abgeholzt werden, egal wie dick sie sind.

Kaum war die Verordnung in Kraft, bekamen die ersten Kleingartenbesitzer die Aufforderung, die Nadelbäume aus ihren Gärten zu entfernen. Waldbäume sind im Schrebergarten nämlich nicht erwünscht – weder vom Bundeskleingartengesetz noch von den Kleingartenvereinen. Nun hatten aber viele Berliner jedes Jahr nach Weihnachten ihren Christbaum ausgepflanzt, sei er Fichte, sei er Tanne, und über die Jahre wuchsen diese Bäume sozusagen in die Baumschutzverordnung hinein.

Die sah bisher vor, dass ein Baum mit einem Stamm-Umfang von mehr als 60 Zentimetern nicht gefällt werden darf. So blieben viele Waldbäume stehen, denn die schützende Verordnung wiegt juristisch schwerer als die kleingärtnerischen Gesetze und Satzungen. Jetzt aber, wo die Bäume aus dem Schutz der Verordnung gefallen sind, sollen sie weg. „Kleingartenbesitzer können dazu genötigt werden, die Bäume zu entfernen“, sagt Herbert Lohner, Referent für Naturschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Der Landesverband Berlin der Gartenfreunde bestätigt das. „Wir fordern unsere Pächter schon seit langem dazu auf, die Bäume zu entfernen“, sagt Verbandspräsident Jürgen Hurt. „Unsere Verpächter verlangen, dass wir die Verträge und das Bundesrecht einhalten.“ Früher habe man dann einfach gesagt: „Wir würden ja gern die Verträge einhalten, aber wir dürfen nicht – wegen der Baumschutzverordnung.“ Damit sei der Fall erledigt gewesen, sagt Hurt. Jetzt ist das anders. Wie viele Berliner Bäume nach dem Wegfall des Schutzes nun der Säge geweiht sind, kann er nicht sagen, aber: „Das sind Tausende.“

Kurios auch: Wenn die Bäume stehen bleiben, ändert sich der rechtliche Status des Grundstücks. „Dann wäre es kein Kleingarten mehr, sondern ein Erholungsareal“, sagt Peter Ehrenberg vom Berliner Kleingärtner-Vorstand. „Das würde einen höheren Pachtzins kosten und verlöre den besonderen Schutz des Bundeskleingartengesetzes.“ Schließlich sollten die Laubenpieper-Parzellen „kleingärtnerisch vielfältig“ , bebaut werden - also mit Gemüse und Blumen.

Gefällt werden darf aber ohnehin nicht sofort. Denn es gibt ja auch noch das Naturschutzgesetz, und das wiederum steht über der Baumschutzverordnung und legt fest: „Es ist verboten, Bäume, Gebüsch, Ufervegetation oder ähnlichen Bewuchs in der Zeit vom 1. März bis 30. September abzuschneiden, zu fällen, zu roden oder auf andere Weise zu beseitigen.“ Damit sollen brütende Vögel geschützt werden.

Der Nachbar von Verbandschef Jürgen Hurt hat in seinem Garten einen riesigen Walnussbaum, der Hurt das ganze Licht nimmt. Die Walnuss ist aber weiter geschützt. Hurt ist für ein friedliches Miteinander und macht das Beste draus: „Dafür brauche ich keinen Sonnenschirm.“

Fatina Keilani

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