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Berlin: Tanz den Amerikaner

Die deutsch-amerikanische Freundschaft steckt in der Krise. Die Band gleichen Namens feiert nach fast 20 Jahren Pause ein überraschendes Comeback mit Anti-Amerika-Songs. Ein Zufall? Nein, das haben wir vorhergesehen, sagen Gabi Delgado Lòpez und Robert Görl. Ein Ortstermin mit den Veteranen der Neuen Deutschen Welle an der US-Botschaft

„You are leaving the civilized sector“, steht auf dem Schild vor der amerikanischen Botschaft. „Das ist gut“, sagt Gabi Delgado Lòpez und lächelt grimmig. So haben Sie das mit ihrer „Deutsch Amerikanischen Freundschaft“ eigentlich immer gemeint. Hier Freund, da Feind, klare Fronten. „Hinter dieser Absperrung beginnt die Barbarei“, sagt Robert Görl und nickt mit dem Kopf in Richtung Botschaft. Ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Neugierig stehen die beiden vor den Transparenten, die Kriegsgegner vor der amerikanischen Vertretung aufgehängt haben. „Einerseits freut mich, dass durch so was das Bewusstsein gestärkt wird“, sagt Gabi Delgado Lòpez mit Blick auf das bunte Camp der Friedensfreunde. „Aber imperiale Mächte wie die USA sind so brutal, dass es denen herzlich egal ist, was hier passiert.“ Und dann schwärmt der 45-Jährige im linksradikalen Slang der 80er von „klandestinen, autonomen Gewaltaktionen gegen den US-Imperialismus“, von Malcolm X und der Roten Armee Fraktion.

So ganz genau weiß man bei den beiden Musikern nie, wie viel Ernst und wie viel spielerische Provokation in ihren Worten steckt. Kämpferische Töne gehören zum Programm. Das war schon damals so, vor mehr als 20 Jahren. Als sie den Hitler und den Mussolini tanzten, mit martialischem Gesang und coolen Synthie-Sounds die deutsche Popkultur aufmischten und nebenbei den Weg für Techno ebneten. Damals stand DAF allerdings vor allem für provokante Vieldeutigkeit, gespiegelt auch im Bandnamen, der eine Anspielung auf die „Deutsch-sowjetische Freundschaft“ in der DDR war.

Heute sind die beiden politisch überraschend eindeutig. „Wenn der Sheriff reiten geht, reiten alle mit“, heißt es auf der aktuellen Single der Wahl-Berliner. Ein Song, der anders als „Tanz den Mussolini“ auch den Friedensfreunden vor der US-Botschaft gefallen dürfte. „Wir wollen das Bewusstsein unseres Publikums verschärfen“, sagt Delgado Lòpez und klingt missionarisch. Wenn es um Amerika geht, wird seine ohnehin raue Stimme noch eindringlicher. Wenn die beiden vom amerikanischen Kulturimperialismus und Vietnam reden, davon, dass „der Amerikaner“ zu Hause bleiben soll, statt kleinen Staaten einen Goliath-gegen-David-Krieg aufzuzwingen, dann wirken sie gar ein bisschen verbittert. 25 Jahre nach ihrer Gründung scheint die Band ihren einst ironisch gemeinten Namen neu entdeckt zu haben. Als künstlerischen Kampfauftrag, mit dem Golfkrieg als Katalysator.

Nach gut 15 Jahren, in denen sie musikalisch und privat getrennte Wege gingen, haben sie sich vor zwei, drei Jahren wieder angenähert, erzählen sie. Sie fanden, die Zeit war reif für ein Comeback. „Wir spürten, es gab wieder etwas zu sagen“, sagt Delgado Lòpez und steckt sich eine „Gauloises“ an. Den Sheriff-Song haben sie im letzten April aufgenommen, als sich der Krieg am Golf erst anbahnte. „Wir wollen damit das amerikanische Weltreich und dessen Kulturimperialismus angreifen“, sagt der Sänger. Kritik an ihrem schwarz-weißen Weltbild weisen sie zurück. „Wenn du deine Botschaft nicht etwas vereinfachst, versteht sie keiner“, sagt Delgado, während neben ihm ein Greenpeace-Aktivist die „Friedensglocke“ schlägt.

Privat pflegen die DAF-Musiker übrigens sehr gute Beziehungen nach Amerika. „Wir haben viele amerikanische Freunde und oft in New York und anderswo Musik gemacht“, sagt Gabi Delgado Lòpez. Außerdem verehre er Amerikaner wie die Regisseure John Cassavetes und die Coen-Brüder oder die militante Schwarzen-Bewegung Black Panther. „Was wir bekämpfen, sind nicht die Amerikaner, sondern das amerikanische Hegemonialstreben.“ Über den korrekten Weg geht dann allerdings doch ein kleiner Riss durch die ansonsten geschlossene DAF-Front. Während Delgado Lòpez noch über die Macht der Gewehrläufe schwadroniert, entdeckt der 47-Jährige Görl auf einem Blumenhaufen vor der US-Botschaft ein Bild von Gandhi. „Der hat viel erreicht durch aktives Nichteinmischen“, sagt er nachdenklich. „Ja“, höhnt sein Kompagnon zurück. „Deswegen geht’s den Indern ja so toll, und sie werden nicht von britischen Konzernen ausgequetscht.“

DAF treten am Montag um 20 Uhr in der Columbiahalle auf. Karten sind noch erhältlich

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