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Immer mittendrin. Bernhard Enste tanzt die Wochenenden durch. „Ihr seid meine Droge!“, ruft er in die Menge und verteilt seine Seifenblasen.

© promo/Jason Krüger

Techno-Opa aus Berlin: "Komet Bernhard" will ins Abgeordnetenhaus

„Komet Bernhard“ nennen sie ihn oder „Techno-Opa“. Bernhard Enste ist in den Clubs eine Berühmtheit. Nun will der 68-Jährige für die Vera-Partei ins Abgeordnetenhaus – um Nichtwähler zu mobilisieren.

Bernhard Enste ist wahrscheinlich Berlins dienstältester Raver. Fast jedes Wochenende feiert der 68-Jährige bis der Morgen anbricht in den Clubs der Stadt, in der Partyszene ist der Mann mit dem weißen Rauschebart längst eine lebende Legende. Wer einen Clip mit dem richtigen Berlin-Gefühl drehen möchte, der fragt Enste, den alle nur „Komet Bernhard“ nennen. In der Berliner „Happy“-Version pustet er YouTube-wirksam Seifenblasen übers Tempelhofer Feld. Doch jetzt könnte die Party bald vorbei sein. Enste macht Ernst: Im September will er mithilfe der neugegründeten Vera-Partei ins Abgeordnetenhaus einziehen. Und seine zahlreichen Party-Freunde sollen ihm dabei helfen.

Zur Erinnerung: Vera, das war die Partei um die Tempelhofer-Feld-Aktivisten Martin Wittau und Felix Herzog, einst hervorgegangen aus dem Umfeld der Initiative „Wowereit abwählen“. Vera steht für „Verantwortung, Ehrlichkeit, Respekt und Anstand“. Mit seiner politischen Unerfahrenheit ist Enste nicht allein: Die 22 Kandidaten der Vera-Partei seien „in erster Linie keine Politik-Profis“, heißt es auf einem offiziellen Flyer. Vielmehr handele es sich um „besondere Menschen“, die besonders gut „ethische Fragen“ beantworten können.

Scheint schon mal zu passen auf den Mann, den Boulevardzeitungen einst zum „Techno-Opa“ ernannten. Dass er keinerlei politische Erfahrung hat, gibt er ganz offen zu. Mehr noch: „Ich war selber jahrelang Nichtwähler“, sagt Bernhard Enste. Gerade deswegen wolle er jetzt besonders jungen Menschen zeigen, dass es wichtig ist sich zu engagieren.

Manche nennen ihn einen Guru

Trotzdem klingt sein Plan, vom Berghain direkt ins Landesparlament zu wollen, erst einmal sehr ambitioniert. Wie schnell aus dem Spaß Ernst werden kann, haben in den vergangenen fünf Jahren die Piraten erfahren: Von den 15 Abgeordneten ihrer Fraktion haben inzwischen sieben die Partei verlassen.

Wer Enste verstehen will, muss ein paar Jahre zurückblicken: Vor gut 15 Jahren kam der gelernte Tischler aus Mainz nach Berlin. Sein Sohn war gerade an Krebs gestorben, seine Beziehung ging zu Bruch. Das seien nicht die einzigen schweren Schicksalsschläge in seinem Leben, sagt Enste.

„Aber ich habe mir immer meine positive Lebenseinstellung bewahrt.“ Sein positives und lebensbejahendes Auftreten war später dann auch der Türöffner in die Club-Szene: Wenn Enste heute auf die Tanzfläche tritt und seine Seifenblasen in die Luft pustet, wird er umzingelt von jungen Menschen. Veranstalter nehmen ihn mit auf ihre Touren, auch als Film- und Fotomodell hat Enste inzwischen häufig gearbeitet. Manche nennen ihn gar einen Guru, auch wenn er sich selbst nie so bezeichnen würde.

Wowi raus! Felix Herzog startete 2014 eine Petition gegen den damals Regierenden. Daraus entstand die Vera-Partei, die nun ins Landesparlament möchte.
Wowi raus! Felix Herzog startete 2014 eine Petition gegen den damals Regierenden. Daraus entstand die Vera-Partei, die nun ins Landesparlament möchte.

© picture alliance / dpa

Die Vera-Gründer erhoffen sich, „mit Komet Bernhard eine Wählerschicht anzusprechen, die sich bisher nicht für Landespolitik interessiert hat“, sagt Herzog. „Gerade die Clubs werden ja sonst nur aktiv, wenn sie akut von Gentrifizierung bedroht sind.“ Die Vera-Partei decke aber noch ein viel größeres Themenspektrum ab, erklärt Parteisprecher Herzog: Auch günstige Eigentumswohnungen für jedermann und Flüchtlingshilfe stehen laut Partei-Flyer auf der Agenda. „Insgesamt sind wir eine progressiv-konservative Partei“, versucht Herzog das Programm zusammenzufassen.

Sechs Prozent sind zu schaffen

Sechs Prozent müsste die Partei bei den Wahlen im September erreichen, damit auch Enste, der auf Listenplatz 10 kandidiert, einen Sitz im Abgeordnetenhaus bekommt. „Das ist durchaus zu schaffen“, sagt er. Generell ginge es aber darum, erst einmal einen neuen Politikstil zu etablieren, gegebenenfalls auch erst nach den nächsten Wahlen. „Ich werde mich jetzt auf jeden Fall sehr intensiv mit Politik beschäftigen“ sagt Enste. Besonders das bedingungslose Grundeinkommen, ein kostenloser Personennahverkehr und die Obdachlosenhilfe lägen ihm dabei am Herzen.

Auf Facebook hat Enste seine Verwandlung vom Profi-Raver zum Politiker übrigens schon vollzogen: Hier ist er künftig nicht mehr als „Komet“ zu finden, sondern unter seinem bürgerlichen Namen. Knapp 3000 Menschen haben seine Seite bereits abonniert. Damit ist er schon fast so beliebt wie Frank Henkel: Dem CDU-Innenminister folgen 3300 Menschen.

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