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33 Meter, 34 Meter, 35 Meter … und dann, nach 20 Minuten, war Baumpfleger Ingo Schneeweiß oben. Foto: Grimm/dpa

© dpa

Berlin: Tegeler Höhenluft

Berlins höchster Baum, die Burgsdorf-Lärche, wurde im Forst neu vermessen Und wie lang ist sie nun? Die Spezialisten schauten erstaunt aufs Maßband.

Wie lange wird er brauchen, um Berlins höchsten Baum zu erklimmen? Letzter prüfender Blick, kurzes Zögern, dann legt Ingo Schneeweiß sich fest: „20 Minuten.“ Ganz sicher ist sich der 48-jährige Baumpfleger aus Kleinmachnow nicht. Er sei aus der Übung, benutze eher eine Hubbühne. Aber die scheidet hier im Tegeler Forst aus, und etwas Show muss schließlich sein, wenn an diesem Dienstag der Goliath unter Berlins Bäumen, die Burgsdorf-Lärche nahe der Konradshöher Straße, neu vermessen wird. Mindestens 43 Meter hoch soll sie sein, so wurde das jedenfalls vor zehn Jahren bestimmt, aber unmittelbar vor dem diesjährigen Tag des Baumes will man es noch einmal ganz genau wissen, und da passt es prima, dass der Baum des Jahres ausgerechnet die Europäische Lärche ist.

Aber vor dem Klettern kommen die Reden, schließlich sind mehrere Institutionen beteiligt, die sich vorstellen wollen, die Berliner Forsten gewissermaßen als Hausherr samt kleinem Bläserensemble, sodann als Initiatorin der Messung die mit dem sperrigen, fast hölzernen Namen ausgestattete „Baum des Jahres Dr. Silvius Wodarz Stiftung“. Sie hat gleich noch die aktuelle Deutsche Baumkönigin, Isabel Zindler mit Namen, dabei, man erkennt sie an ihrem aus Kastanienholz geformten, von Lärchengrün umkränzten Hut. Das Publikum: Forstleute und ihnen nahestehende Interessierte, selbstverständlich Baumpate Ben Wagin, Journalisten und die Wald-AG der Zehlendorfer Tom-Sawyer-Kita, ein quirliger Haufen, der erst mal die Ärmchen vor der neuen, noch datenlosen Holztafel hochwerfen und in die vielen Kameras „Hurra!“ rufen darf.

Dann greift der Klettermaxe zum Seil, das vor dem Termin vorsorglich über einen stabilen Ast in luftiger Höhe geschossen worden war. Er klinkt sich hier und hakt sich dort ein – man kennt das aus Bergfilmen. Nun geht es hinauf.

Das hätte sich August von Burgsdorf, Namensgeber der Superlärche, alles nicht träumen lassen, als er den Setzling 1795 pflanzte. Berlins ältester Baum, die 900-jährige Eiche „Dicke Marie“, hatte da schon ganz schön Jahresringe angesetzt. Unter Forstleuten ist Burgsdorf ein berühmter Mann. 600 Gehölze aus Europa und Amerika hat er in seiner „Tegeler Baumzucht“ kultiviert, die Lärchensamen bezog er aus dem Sudetengebirge.

Ingo Schneeweiß ist inzwischen oben angekommen, durchaus in der vorausgesagten Zeit, steckt unsichtbar in der Krone, wirft ein Seil herab, mit dem gemessen wird. Plus einiger geschätzter Meter zusätzlich – ein Kletterer wagt sich besser nicht bis zum letzten Zweiglein – ergibt das, tja, leider nur 40,80 Meter. Sehr genau ist die Seilmethode aber nicht, und für die Präzision steht schließlich noch Udo Schmidt bereit, Messspezialist des Forstgeräteherstellers Grube. Der hat gleich ein kleines Sortiment von Messapparaten dabei, darunter ein Lasergerät, das bei der Messung vor zehn Jahren noch nicht zur Hand war, ein wahres Zauberding: Ein Baum, drei Messungen – den Rest erledigt es von selbst. Wäre natürlich dabei hilfreich, wenn der Baum frei stünde, das tut er hier nicht. Also muss er von allen Seiten gelasert werden, übrigens unsichtbar, kein Zweiglein verglüht. Zuletzt wird gemittelt – das sieht schon besser aus: 42,5 Meter, bei einem Baumumfang von 2,90 Metern, sieben Zentimetern mehr als vor zehn Jahren. So ein Baum ist eben auch nur ein Mensch: Wird im Alter kleiner und dicker. Andreas Conrad

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