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14 vergiftete Hunde am Tegeler See, Blaualgen am Seesaum und tote Wildtiere: Gibt es Zusammenhänge zwischen den Fällen?

© Lino Mirgeler/dpa

Tegeler See: Vergiftete Hunde: Ämter warten auf Laborergebnisse

Woran starben die Hunde vom Tegeler See? In wenigen Tagen sollen die Untersuchungsergebnisse vorliegen. Und viele Hundehalter sind tief verunsichert.

Ferienstimmung am Tegeler See. Die Cafés sind dieser Tage prall gefüllt, auf dem Wasser schippern Ruderer und Segler, Spaziergänger und Radfahrer genießen das Wochenende. Geht man am Ufer des Tegeler Sees spazieren, von der Greenwichpromenade über die große Malche zum Strandbad Tegel, erscheint zunächst alles ganz normal. Und doch ist das Bild nicht ganz vollständig: Es sind, anders als sonst, kaum Hunde zu sehen. Stattdessen hängen an Bäumen und Zäunen laminierte Warnschilder des Bezirksamtes Reinickendorf, die auf ungeklärte Todesfälle an Vierbeinern hinweisen.

Nachdem in den vergangenen zwei Wochen 14 Hunde rund um den Tegeler See nach Vergiftungserscheinungen gestorben sind, ist die Aufregung unter den Hundehaltern groß. Ricarda H., Einzelhandelskauffrau aus Hermsdorf, hat bei einem Spaziergang dennoch ihren Schäferhund Don dabei. „Ich habe ihn aus dem Tierheim als Therapiehund für meinen Sohn geholt“, erzählt die 43-Jährige.

„Viel komplizierter als in einem CSI-Krimi“

Beim Auslauf muss Don jetzt eine Maulbinde tragen und an der Leine bleiben. Hundehalter seien sehr vorsichtig geworden, sagt Frau H. Sie zum Beispiel habe kein Schild mehr am Gartentor, das auf ihren Hund hinweist, nachdem auch in Hermsdorf Giftköder gefunden worden seien. Andere reagierten mit Hass auf die Angriffe. Einig sei man sich, dass die Hunde an einem Kontaktgift gestorben seien. Keiner der Hundebesitzer habe bemerkt, dass sein Hund etwas gefressen habe. „Außerdem ging das viel zu schnell. Die Hunde sind sofort mit Schaum vor dem Mund gestorben.“ Um Don macht sie sich dennoch nicht allzu große Sorgen, hat sie ihm doch beigebracht, nur von ihr Futter anzunehmen.

Thorsten Schatz, CDU-Bezirksverordneter in Spandau und Sprecher vom „Giftköderalarm“, einer Initiative, die sich um Aufklärung bemüht, begrüßt es, wenn Hundehalter ihren Tieren das richtige Verhalten beibringen. Auch „Giftköderalarm“ bietet über seine Facebookseite ein Antigiftködertraining an. Wichtig ist Schatz zur Zeit aber vor allem, Spekulationen entgegenzuwirken. Die Aufregung unter Hundehaltern und die derzeit unübersichtliche Lage trage dazu bei, dass Mutmaßungen ins Kraut schießen, die sich per „stiller Post rasch verbreiten“.

Mehrere Vorkommnisse scheinen miteinander im Zusammenhang zu stehen, da sie sich alle just in der weiteren Umgebung des Tegeler Sees ereignet haben. Aber Polizei und Behörden haben ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Da sind zum einen die verstorbenen Hunde am Tegeler See. Am Seeufer wurden bisher keine Giftköder gefunden. Durch Gewässerproben konnte aber ausgeschlossen worden, dass der See mit Chemikalien verunreinigt wurde.

Allerdings gibt es auch Gifte, die sich verflüchtigen und da sei ein Nachweis im Nachhinein nicht mehr zu bringen, sagt Tierarzt Kai Rödiger, der einige der vergifteten Hunde retten konnte. Bei den Verstorbenen war ein Giftstoff im Verdacht, der aber letztlich nicht nachgewiesen werden konnte. Ein derartiger Nachweis sei „viel komplizierter als in einem CSI-Krimi“, sagt Rödiger. Derzeit würden noch Blut und Mageninhalt untersucht, einen Verdacht gäbe es da noch. Solange dies aber nicht bestätigt sei, wolle er sich nicht dazu äußern. „Sonst werden aus Spekulationen Tatsachen.“

Dienstag sollen die Ergebnisse vorliegen

Nicht weit von dort, in Hakenfelde, kam es in den vergangenen Wochen zu einem vermehrten Wildtiersterben. Dort wurden tatsächlich Giftköder gefunden, durch die mehrere Füchse verendet sind. Ein Sprecher der Polizei bestätigt, dass die Abteilung für Umweltdelikte des Landeskriminalamts die Fälle untersucht. Bisher sei allerdings kein Zusammenhang mit dem Hundesterben bekannt.

Genauso wenig ist klar, ob es eine Verbindung zwischen dem Hundesterben und dem Blaualgenvorkommen am Tegeler See gibt. Am Freitag hatte das Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales) Warnhinweise an den Badestellen am Tegeler See anbringen lassen. Man solle Algenansammlungen meiden und kein Wasser schlucken – Eltern sollten auf ihre Kinder achten. Ein Lageso-Sprecher erklärt, dass der Algenbewuchs gut erkennbar sei. Es sind dunkel verfärbte schleimige Stellen am Spülsaum, die nun zum ersten Mal am Tegeler See entdeckt wurden. Aber längst nicht alle Blaualgenarten produzieren das giftige Toxin. Die Untersuchung ist aufwändig und wurde dem Bundesumweltamt in Dessau in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden für Dienstag erwartet. Erst dann kann geklärt werden, ob ein Zusammenhang mit den verstorbenen Hunden besteht. Die bisherigen Warnungen seien reine Vorsichtsmaßnahmen, heißt es im Lageso, und wenn man die Algenbereiche meidet, bestünde keine Gefahr.

Um die Ermittlungsarbeit zu intensivieren, fordern die Gründer von „Giftköderalarm“, Thorsten Schatz und sein Mitstreiter Kai Wegner, Spandauer CDU-Bundestagsabgeordneter, die Einrichtung einer Sonderkommission und einen besseren Informationsaustausch zwischen Bezirken, Landesbehörden und der Polizei.

Trotz der Aufregung um die rätselhaften Todesfälle bleibt Annett Hinz mit ihrer Hündin Bonny gelassen. Auf der Sechserbrücke über den Tegeler Fließ spazieren sie gerade in Richtung Forst. Auch sie sei beunruhigt gewesen, sagt Hinz. Sie meide mit Bonny die gefährlichen Stellen, auch wenn das einen Verzicht auf schöne Strecken bedeute. Auf ihre Hündin sei eben nicht hundertprozentig Verlass: „Sie ist so eine Fressraupe.“

Clarissa Herrmann

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