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schwanger

© Doris Spiekermann-Klaas

Tempelhof: Geburtshaus mit medizinischer Versorgung

Im bundesweit einmaligen Projekt Fera arbeiten Hebammen und Ärzte in Tempelhof eng zusammen.

Von Sabine Beikler

Ganz entspannt sitzt Thérèse Nylén auf dem Bett und beobachtet die auf dem CTG angezeigten Herztöne des Ungeborenen. Ihr erstes Kind lässt sich Zeit, um auf die Welt zu kommen: Der Geburtstermin ist längst überschritten, und in Absprache mit der 33-Jährigen wird langsam die Geburt eingeleitet. Regelmäßig schaut Hebamme Kathy Fankhauser zu der Hochschwangeren, die mit Partner und Schwester auf Wehen wartet. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt Thérèse Nylén. Und sollten Komplikationen auftreten, seien Ärzte da. In Geburtshaus-Atmosphäre ambulant entbinden, ohne auf medizinische Betreuung zu verzichten: Das bietet das bundesweit einmalige Projekt „Fera“, das an diesem Wochenende sein zehnjähriges Bestehen feiert.

1999 hatten die Gynäkologen Peter Rott und Annette Haase in einem Pavillonbau auf dem Gelände des zum Vivantes-Konzern gehörenden Wenckebach-Klinikums in Tempelhof eine Gemeinschaftspraxis eröffnet, in der sich Frauen vor und nach der Geburt auf eine „Rundum-Betreuung“ verlassen können. Mittlerweile gehören fünf Ärzte, zehn Arzthelferinnen, zwei Medizinisch-Technische Assistentinnen zum Team.

Unmittelbar neben der gynäkologischen Praxis arbeitet eine Hebammengemeinschaft mit zehn Hebammen. In dem Pavillon sind zwei Entbindungsräume untergebracht. Gynäkologie, Geburtshilfe und Kursangebote werden zwar auch anderweitig angeboten. Bei „Fera“ aber kann sich eine Schwangere auch bei Komplikationen während der Geburt auf eine optimale medizinische Versorgung verlassen. In den Räumen können Notkaiserschnitte durchgeführt werden, da jederzeit ein diensthabender Anästhesist im Wenckebach-Klinikum gerufen werden kann. Reguläre Kaiserschnitte führen die Ärzte in den Operationssälen des Klinikums aus, das durch einen Aufzug direkt vom „Fera“-Haus aus zu erreichen ist.

„Unser Prinzip ist die Eins-zu-eins-Betreuung eines Paares“, sagt Hebamme Kathy Fankhauser. Eine Hebamme habe immer Zeit, sich um die werdenden Mütter und Väter zu kümmern. Die Frauen hätten in Berlin viele Möglichkeiten, zwischen „klinikorientierter oder geburtshausorientierter Geburt“ zu wählen. „Bei Fera kommt die Medizin zu den Frauen, wenn sie zum Beispiel Schmerzmittel oder eine Periduralanästhesie wünschen“, sagt Kathy Fankhauser.

Um eine optimale Versorgung zu sichern, muss das Projekt auch Geburten ablehnen. „Wir haben 240 Entbindungen pro Jahr“, sagt Peter Rott. Das Maximum, denn „Fließband-Geburten“ gebe es bei Fera nicht. Insgesamt 10 000 Behandlungen gibt es pro Jahr: Neben Gynäkologie und Geburtshilfe hat das Ärzteteam vor zwei Jahren in einem anderen Pavillon auf dem Wenckebach-Gelände ein Kinderwunschzentrum eröffnet.

Fera-Patientin Thérèse Nylén konnte übrigens trotz Geburtseinleitung nicht auf eine medizinische Behandlung verzichten. Ihr erstes Kind musste nach vielen Stunden dann doch per normalem Kaiserschnitt entbunden werden. Baby und Eltern geht es sehr gut. Nur konnten sich Vater und Mutter noch nicht auf den Namen einigen. Top-Anwärter ist zurzeit „Max“ . Sabine Beikler

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