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Aus Sicht des Täters. Irgendjemand hat im Ausstellungsraum der „Schaustelle Wohnen“ etwas sehr Hartes gegen die Sicherheitsscheibe geknallt.

© Frank Bachner

Tempelhofer Feld: Angst vor bestellten Provokateuren

Scheiben der Schaustellen am Tempelhofer Feld wurden zerstört. Die Initiative "100 % Tempelhofer Feld" befürchtet nun, dass ihr die Schuld gegeben wird.

Diese Kerbe, das ist der ungewöhnlichste Punkt. Diese Einbuchtung, groß wie ein Zwei-Euro-Stück. Dass sie im Zentrum der Risse liegt, die sich sternförmig verteilen, das ist noch nichts Besonderes. Zersplittertes Glas sieht halt so aus. Irgendjemand hat etwas extrem Hartes gegen die Sicherheitsscheibe an der „Schaustelle Berlin“, am Eingang Tempelhofer Damm des Tempelhofer Feldes, geknallt. Aber, und das ist ungewöhnlich: Das Glas wurde von innen beschädigt, der Täter muss im Ausstellungsraum gestanden haben. Geborsten ist das Glas allerdings nicht.

Celine sitzt einen Meter unter den Rissen, sie hat keine Ahnung, wie das hatte geschehen können, die Schweizerin ist in der Schaustelle nur für die Betreuung der Besucher zuständig. Aber gewundert hat sie sich nicht. „Das Thema Bebauung des Feldes ist sehr emotional.“ Das bekommt sie hautnah von ihren Besuchern mit. An der Schaustelle an der Oderstraße wurden gleich 14 Scheiben zerstört. Seither patrouillieren zwei Sicherheitsleute um die insgesamt drei Schaustellen. Die Täter freilich werden wohl kaum ermittelt.

Also bleibt eine Unsicherheit. Und eine Frage. Schadet diese Aktion letztlich der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“, den Gegnern der Bebauung? Weil zumindest ein paar unentschlossene Bürger am 25. Mai, dem Tag der Volksabstimmung, nun bewusst für die Bebauung stimmen könnten, aus Protest gegen Steinewerfer?

Ja, sagt Sascha Lakheit, „ich kann mir vorstellen, dass es den Gegnern eher schadet“. Unter seinem Fahrradhelm trägt er eine schwarze Sonnenbrille, neben ihm steht seine Frau. Beide sind auf jeden Fall gegen die Bebauung in der jetzt geplanten Form.

Grundsätzlich schade es, sagt auch Mensur Bucuk, ein hochgewachsener Mann, der unterm Fahrrad-Helm eine Wollmütze trägt. Neben ihm klammert sich Ener Basic an den Lenker seines Fahrrads und bringt einen interessanten Aspekt ins Spiel: „Wer weiß denn, ob das nicht agents provocateurs waren, die dafür sorgen, dass die Leute sagen: He, seht mal, da waren Chaoten am Werk.“ Er unterstützt, es liegt nahe, die Bebauung.

Bestellte Provokateure? Seltsame Verschwörungstheorie? Möglicherweise nicht. Denn am Eingang zum Feld steht Frank Angermüller in grasgrüner Jacke, der Leiter der Tempelhofer Gruppe von „100 % Prozent Tempelhofer Feld“, und sagt: „Wir haben Angst, dass das unsere Gegner waren, die uns etwas in die Schuhe schieben wollen.“ Schon beim Volksbegehren habe es Vorwürfe wegen angeblicher Stimmenfälschungen gegeben, „alles gelogen, das wurde überprüft“, meint er. Jedenfalls: „Wir sind vorsichtig, wir müssen mit allem rechnen.“

Eine Botschaft trägt er wie eine Monstranz vor sich her: „Wir sind friedliche Leute, wir planen friedliche Projekte.“ Von der Zerstörung distanziere sich die Initiative. „Ich kann für mich ausschließen, dass es einer von uns war.“ Er kann nicht mal mit der Aufschrift „Der Weg ist weg – 25.5.“ leben, den jemand auf den Asphalt des Außenrings gemalt hat. „Das ist Sachbeschädigung, von solchen Schmierereien distanziere ich mich.“

Andere sind bei dieser Form des Protests gelassener. Celine in der Schaustelle „kann damit leben“. Und Mensur Bucuk, der Radfahrer mit der Wollmütze, findet die Pinselei sogar gut. „Dann kann jeder plastisch sehen, was sich hier ändern würde.“ Frank Bachner

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