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Tagsüber ist von den Käfern auf dem Tempelhofer Feld nichts zu sehen, bei Dämmerung fliegen sie zu Hunderten los.

© Kai-Uwe Heinrich

Tempelhofer Feld: Käferschwärme belästigen Besucher

Seit Tagen werden Parkbesucher auf dem Gelände des stillgelegten Flughafens Tempelhof abends von Käferschwärmen belästigt. Es geht um Leben und Tod. Allerdings nur für die Tiere.

Es klingt nach Sommerloch-Hysterie. Bis es einen selbst erwischt. Wer bei Dämmerung über das Gelände des stillgelegten Flughafens Tempelhof spaziert, sieht Parkbesucher, die mit den Armen um sich fuchteln, zickzack rennen, das Weite suchen. Und es dauert nicht lange, bis man selbst heimgesucht wird.

Es sind tausende Käfer, die derzeit jeden Abend über das Tempelhofer Feld schwärmen. Und dabei gezielt Menschen anfliegen, sie verfolgen, Weglaufenden auch über längere Strecken hinterherschwirren. Selbst Jogger fühlen sich gestört. Besucher klagen darüber, dass sich die Tiere in der Haut festkrallen und dann nicht mehr abzuschütteln sind. Nicht wenige kriegen dabei Panik.

Die gute Nachricht lautet: Die Käfer wollen weder beißen noch stechen. Sie können es gar nicht. Und auch wenn es so aussieht, wollen sie keine Menschen attackieren.

Es handelt sich um den Amphimallon solstitiale. Den gerippten Brachkäfer. Im Volksmund kennt man ihn, wenn überhaupt, unter dem Namen Junikäfer. Tagsüber verstecken sich die Tiere unter Laub oder in Büschen, an warmen Juniabenden aber schwärmen sie aus und gehen auf Partnersuche. Dass sie sich auf Menschenhaut festkrallen und nur mit großem Druck zu entfernen sind, liegt an den kleinen Widerhaken an ihren Beinen, mit denen sie sich sonst an Baumlinde festhalten. Die Schwärmflüge des Käfers seien nichts Außergewöhnliches, sagt Michael Krebs, Parkmanager auf dem Tempelhofer Feld – wohl eher ein Zeichen dafür, dass sich Großstadtmenschen ein „Stück weit von der Natur entfremdet“ hätten. Krebs bezweifelt allerdings auch, dass gerippte Brachkäfer überhaupt gezielt Menschen anfliege. Dabei machen Parkbesucher jeden Abend genau diese Erfahrung.

Das Auftreten der Tiere ist in diesem Jahr durchaus bemerkenswert, sagt Anja Sorges vom Naturschutzbund (Nabu). Etwa alle vier Jahre könne es zu solchen Massenerscheinungen kommen, dies hänge unter anderem von Temperatur und Bodenfeuchte in den vorangegangenen Sommern ab. Denn die Larven dieser Art entwickelten sich über zwei Jahre und überwintern mehrmals, bevor sie sich endgültig verpuppen und als Käfer schlüpfen. Auch aus anderen Parks wurden bereits größere Ansammlungen des Amphimallon solstitiale gemeldet, etwa im Volkspark Friedrichshain und im Tiergarten.

Der Parkmanager bezweifelt, dass die Tiere gezielt Menschen anfliegen – Besucher machen ganz andere Erfahrungen.
Der Parkmanager bezweifelt, dass die Tiere gezielt Menschen anfliegen – Besucher machen ganz andere Erfahrungen.

© dapd

Unangenehm überrascht wurden auch mehrere Dutzend Hobby-Astronomen, als sie am 15. Juni von der Spitze des Teufelsbergs aus spätabends die jüngste Mondfinsternis beobachten wollten. Zeugen sprechen von einer wahren „Attacke“ tausender Käfern, die Tiere verfingen sich in Kleidung und den Haaren. Im Internet kursieren Videos, die nicht etwa die prächtige Mondfinsternis, sondern sich paarende Brachkäfer auf den Objektiven mitgebrachter Kameras zeigen.

Besonders auffällig ist die Häufung dieses Jahr laut Naturschutzbund aber auf dem Tempelhofer Feld. Bereits vor anderthalb Wochen habe es hier „derart massive Schwärmflüge“ gegeben, dass sich Parkbesucher gefürchtet und um Hilfe gerufen hätten, wahlweise nach Krankenwagen oder Kammerjägern. Die Angst sei zwar völlig unbegründet, aber auch ein bisschen nachvollziehbar bei Menschen, die nicht um die Harmlosigkeit des Junikäfers wüssten, sagt Anja Sorges. Leider reagierten manche falsch und versuchten, die Tiere totzuschlagen.

Die Nabu-Frau kann auch erklären, warum die Tiere Menschen tatsächlich anfliegen: Sie steuern bevorzugt die höchsten Punkte der Geländes an. Und da das Tempelhofer Feld zum großen Teilen aus baumlosen Wiesen besteht, wird eben der stehende Mensch zum höchsten Punkt weit und breit.

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