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Berlin: Tempodrom: Hauptsache gerettet

"Sparkommissare" der Investitionsbank waren gestern auf der Tempodrom-Baustelle unterwegs, die Kosten werden jetzt streng kontrolliert. Der Senat hat mit 12,8 Millionen Mark den drohenden Konkurs des Bauprojekts abgewendet und die Eröffnung Anfang Dezember gesichert.

"Sparkommissare" der Investitionsbank waren gestern auf der Tempodrom-Baustelle unterwegs, die Kosten werden jetzt streng kontrolliert. Der Senat hat mit 12,8 Millionen Mark den drohenden Konkurs des Bauprojekts abgewendet und die Eröffnung Anfang Dezember gesichert. Rund 150 Bauleute können weiter mit Hochdruck arbeiten.

Als Preis für die Rettungsaktion muss Tempodrom-Chefin Irene Moessinger die Stiftung Neues Tempodrom verlassen und Vertretern des Landes Berlin Platz machen. "Es hat ein bisschen weh getan", gab sie gestern zu. Sie sei aber erleichtert und dankbar, dass eine weltweit einzigartige Veranstaltungsstätte gerettet werden konnte, vor allem Stadtentwicklungssenator Peter Strieder die "kulturelle Bedeutung erfasst" habe.

Die Stiftung sei Bauherrin und habe keinen Einfluss auf das künftige Programm, solle nur auf die Wirtschaftlichkeit achten. Sie aber bleibe Betreiberin und werde Unabhängigkeit garantieren, versicherte Irene Moessinger. Der Neubau am Anhalter Bahnhof sei im nächsten Jahr übrigens viel besser ausgelastet als erwartet, bis Ende März gebe es mehr als 100 Veranstaltungen, davon 25 allein im Eröffnungsmonat Dezember. Dass alles war in akuter Gefahr, nachdem die Baukosten um rund 20 Prozent auf 50 Millionen Mark gestiegen waren, das Neue Tempodrom in einer Finanzlücke zu verschwinden drohte.

"Ich musste mich bereit erklären, zurückzutreten, weil ich nicht in der Lage war, die Finanzierung der Baumaßnahme unter Kontrolle zu halten", sagte sie, als läse sie einen Text ab. Sie übernahm die Verantwortung, hatte sich auf Rechnungen von Bauexperten verlassen. Alle hätten ihr Bestes gegeben, das Haus sei durchdacht, immer noch preisgünstig und sparsam kalkuliert, sagte sie. Es werde viel nackten Sichtbeton geben. Ein Keller tauche in der Kalkulation nicht auf, weil er wegen nachträglicher Auflagen für ein Notstromaggregat habe gebaut werden müssen.

Irene Moessinger war gestern zufällig auf der Baustelle anzutreffen, weil sie einem "historischen Moment" beiwohnen wollte. Die Gerüste fielen vom Äußeren, erstmals zeigte sich das Glas der zwölf Fenster. Der Zeltbau mit seinen zwölf Dachspitzen wirkt zunehmend fertig, innen sind das Foyer in drei Ebenen und die kleine Arena frei von Gerüsten, die große Arena aber ist noch eine verwirrende Großbaustelle. Das Liquidrom, in dem sich Besucher in warmem, solehaltigem Wasser Musik oder Vorträge anhören können, wird nicht termingerecht fertig.

Das Tempodrom werde sein Programm nicht ändern, ein Spiegel der kulturellen Strömungen bleiben, sein Publikum behalten, neues gewinnen und alternativ sein, allein schon wegen des Standortes und der Architektur, sagte Irene Moessinger. Das Konzept sei wirtschaftlich tragfähig, um die jetzt vom Land erhaltenen Kredite ("Das Geld ist nicht geschenkt") zurückzahlen zu können. Sie zweifele nicht daran, dass ihr das gelingen werde. Seit 21 Jahren, seit sie sich als Krankenschwester mit einem Erbe den Bau eines Zirkuszeltes am Potsdamer Platz ermöglicht habe, sei sie erfolgreiche Unternehmerin, die auch mit einem Risiko rechnen müsse. Andererseits habe sie sich nie als Eigentümerin empfunden.

Gestern wurden die letzten Planen des Zeltdaches installiert. Im Krankenhaus hatte sie früher auf der Intensivstation gearbeitet, und so fühlte sie sich auch in den vergangenen Tagen, als es um den Patienten Tempodrom ging. Sie fing wieder mit dem Rauchen an und tröstete sich damit, dass Nikotin ein Gegenspieler von Adrenalin ist und Stress abbaut. Ende des Jahres will sie mit dem Rauchen wieder aufhören.

C. v. L.

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