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Berlin: „Tempodrom-Insolvenz wird teurer als der Verkauf“

Sanierer Torsten Griess-Nega sieht Veranstaltungsbetrieb gefährdet und Gläubiger leer ausgehen

INTERVIEW

Herr Griess-Nega, Sie und die Steinbacher Treuhand sind als Sanierer des Tempodroms wegen hoher Honorare ins Gerede gekommen. Was haben Sie genau verdient?

Die genaue Summe fällt unter den Vertrauensschutz zwischen Mandant und Sanierer, deshalb nur so viel: Die von der Steinbacher Treuhand vereinbarten Honorare liegen im guten Mittelfeld. Berater wie McKinsey, Roland Berger und Boston Consulting verlangen wesentlich mehr ohne wesentlich besser zu sein.

Wie beurteilen Sie die Entscheidung des Senats, das Tempodrom in die Insolvenz zu führen?

Politisch will ich das nicht werten, aber wirtschaftlich macht es keinen Sinn. Der Verkauf wäre die bessere Lösung gewesen, es hätte den höheren Erlös für das Land bedeutet und Risiken vom Land abgewendet.

… und weil Sie bei einem Verkauf daran verdient hätten, nämlich 350000 Euro.

Das ist nicht der einzige Grund. Wir haben das Wohl des Landes Berlin im Auge. Im Übrigen haben wir für das Tempodrom hart und gut gearbeitet, bei einem erfolgreichen Verkauf hätten wir dafür entsprechend bezahlt werden wollen. Wir hatten ein Verkaufspaket fertig geschnürt. Das ist bekannt. Der potenzielle Käufer hätte das Tempodrom für insgesamt fünf Millionen Euro übernommen.

Bislang hieß es, es würden nur drei Millionen gezahlt werden.

Das war falsch. Drei Millionen wären beim Verkauf sicher zu zahlen gewesen, hiervon sofort 2,5 Millionen, weitere 0,5 bis spätestens 2009, und zwei weitere Millionen abhängig von den Gewinnen, die das Tempodrom künftig eingefahren hätte.

Klingt aber trotzdem nach einem Schnäppchen, schließlich hat der Bau insgesamt über 30 Millionen Euro gekostet.

Mag sein, aber die Insolvenz birgt hohe Risiken, die noch gar nicht abzusehen sind. Ich befürchte, dass die Insolvenz für das Land wesentlich teurer wird als der Verkauf.

Ist es denn nicht richtig, dass das Land immerhin die gestundeten Zinsen in Höhe von etwa einer Million Euro für den Bau-Kredit bei der Landesbank spart und die offenen Gläubigerrechnungen nicht zahlen muss?

Die Gläubiger werden voraussichtlich wirklich kein Geld sehen, dafür ist zu wenig Insolvenzmasse da. Aber einen Teil der Zinsen an die Bank muss das Land trotzdem zahlen, weil beide darüber eine Vereinbarung geschlossen haben.

Dennoch, der Senat sagt: Eine Insolvenz ist die sauberere Lösung, weil nur so ein neuer Anfang möglich ist.

Ein neuer Anfang aus der Insolvenz wird nicht so einfach sein. Der Verkauf wäre auch ein neuer, sicherer und vor allem schmerzfreier Weg gewesen. Dass ein Verkauf ein sauberer Weg gewesen wäre, steht außer Frage.

Eines der bekannt gewordenen Risiken für die Insolvenz sind die Pachtverträge mit dem Caterer Einhorn und dem Liquidrom-Betreiber Böhm. Was ist daran so problematisch?

Beide haben einen Baukostenzuschuss für das Tempodrom geleistet und deshalb sind ihre Verträge auch im Falle einer Insolvenz auf Jahre hinaus nicht kündbar.

Hieße das, ein potenzieller Käufer muss sich auf jeden Fall mit den beiden arrangieren?

Genau das heißt es.

Wie stehen die Chancen für den weiteren Veranstaltungsbetrieb? Der Senat geht davon aus, trotz Insolvenz gehe alles weiter wie bisher. Ist es nicht richtig, dass die Tempodrom GmbH – also die Veranstaltungsfirma von Irene Moessinger und Norbert Waehl –, gesamtschuldnerisch für den Millionenkredit bei der Landesbank haftet?

Das ist richtig, denn bevor die Bank das Land als Bürgen zur Kasse bitten kann, muss sie sich erst an die GmbH und die Stiftung halten. Für beide bedeutete dieses wohl das Ende. Soll der Veranstaltungsbetrieb wie bisher weiterlaufen, müssten sich Land und Bank einig sein, die GmbH für die Schulden nicht heranzuziehen.

Stimmt es, dass die Bank eigenmächtig mit Interessenten verhandelt hat, obwohl Sie ja vom Senat beauftragt waren, einen Käufer zu finden?

Stimmt, die Bank hat tatsächlich ohne unser Wissen Verhandlungen geführt.

Dieser Interessent war Peter Schwenkow?

Über einzelne Investoren reden wir bei der Steinbacher Treuhand grundsätzlich nicht.

Glauben Sie, dass die Steinbacher Treuhand bislang erfolgreich für das Land Berlin gearbeitet hat?

Ja, wir betreuen auch die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG) und die KPM. Bei der BLEG haben wir über 75 Millionen Euro zur Verbesserung der Liquidität des Landes beigetragen, gekostet haben wir bisher einen kleinen Bruchteil dieser Summe. Bei der KPM haben wir nach sechs Wochen erstmals die Trendwende geschafft, das erste Quartal 2004 schloss liquiditätsmäßig operativ mit schwarzen Zahlen ab. Beim Tempodrom haben wir die Situation binnen weniger Monate um rund 1,5 Millionen Euro verbessert, haben operativ Gewinne erzeugt und begonnen Altlasten zu tilgen. Und vor allem haben wir das Tempodrom im Landesinteresse am Leben gehalten.

Was unterscheidet die Steinbacher Treuhand von anderen Beratern?

Wir sind Spezialisten. Unsere beiden Geschäftsfelder sind einerseits Sanierung und Restrukturierung und andererseits die strategische Ausrichtung von Unternehmen. Wir machen Analysen und Berichte, allerdings sagen wir nicht nur, was man tun sollte, sondern setzen das auch um, wenn es gewünscht wird. Wir gehen also auch in die Verantwortung.

Das Gespräch führten Matthias Oloew und Dagmar Rosenfeld

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