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Berlin: Tempodrom: Koalition droht mit Verfassungsklage Michael Braun, Chef im Untersuchungsausschuss: „SPD und PDS wollen mich mundtot machen“

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Doch im Tempodrom-Untersuchungsausschuss fliegen den Beteiligten jetzt ganze Baumstämme um die Ohren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Doch im Tempodrom-Untersuchungsausschuss fliegen den Beteiligten jetzt ganze Baumstämme um die Ohren. Die Regierungsfraktionen SPD und PDS werfen dem Ausschussvorsitzenden Michael Braun (CDU) vor, sich „verfassungs- und geschäftsordnungswidrig“ zu verhalten. Ein Abwahlantrag wurde aber vertagt.

Braun wies diese Vorwürfe als „an den Haaren herbeigezogenen Quatsch“ zurück. „Die wollen mich rausschießen, mundtot machen und die Affäre vertuschen.“ Der Grünen-Abgeordnete Oliver Schruoffeneger gab dem CDU-Mann Rückendeckung. SPD und PDS versuchten, die Arbeit des Untersuchungsausschusses lahm zu legen. Die PDS solle sich überlegen, ob sie „jeden sozialdemokratischen Blödsinn mitmacht“. Auch der FDP-Politiker Christoph Meyer und der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Uwe Goetze nannten die Vorwürfe gegen Braun „falsch und entlarvend“.

Das Klima im Ausschuss ist seit längerer Zeit vergiftet. Den Fraktionen gelingt es nicht einmal mehr, sich auf einen gemeinsamen Zeitplan und eine Liste der Zeugen zu einigen. Als sich Braun kürzlich weigerte, SPD- und PDS-Anträge über die weitere Arbeit des Untersuchungsausschusses zur Abstimmung zu stellen, reichte es den Koalitionsfraktionen. Sie fühlten sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass sich der Ausschussvorsitzende „wiederholt über Verfahrensregeln hinweggesetzt und gegen parlamentarische Gepflogenheiten verstoßen hat“. Auch habe er Zeugen abfällig behandelt und daran gehindert, ihre Erinnerungen im Zusammenhang vorzutragen. Und das Landgericht habe Brauns Behauptung, der Tempodrom-Förderer Roland Specker sei über die SPD in den Aufsichtsrat der Wasserbetriebe gekommen, als „üble Nachrede“ eingestuft.

Auf vier eng beschriebenen Seiten begründen SPD und PDS, warum sie Braun abwählen wollen. Der Antrag soll aber nicht schon heute im Parlament eingebracht werden. Möglicherweise in zwei Wochen, bevor die Sommerpause beginnt. „Weitermachen wie bisher kann Braun nicht“, sagte der SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Er müsse zu einer fairen und sachdienlichen Verhandlungsführung zurückkehren. Die Idee, den Abgeordnetenhauspräsidenten Walter Momper (SPD) um ein ermahnendes Gespräch mit Braun zu bitten, wurde fallen gelassen. Aber der Ältestenrat wird sich in der nächsten Woche mit dem Streit befassen. Und vielleicht ziehen SPD und PDS vor das Verfassungsgericht, um feststellen zu lassen, ob sich der Ausschussvorsitzende verfassungswidrig verhalten hat.

Die CDU wiederum will das Landesverfassungsgericht bemühen, sollte Braun des Amtes enthoben werden. In der Geschichte des deutschen Parlamentarismus ist es noch nie vorgekommen, dass der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses abgewählt wurde. In Berlin regeln zwar Verfassung, Untersuchungsausschuss-Gesetz und Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses die Wahl, aber nicht die Abwahl eines Ausschuss-Chefs. Nur der Landtag in Sachsen-Anhalt erlaubt dies – laut Geschäftsordnung – ausdrücklich. Allerdings nur mit einer Zweidrittelmehrheit.

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