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Berlin: Terrorverdächtiger war auf Brachfläche gemeldet

Das Bundeskriminalamt suchte Stephan M. in der Oranienstraße 1 vergebens. Dort steht kein Haus

Die Generalbundesanwaltschaft hat sich bei der Razzia gegen die G-8-Gegner am Mittwoch in Berlin eine peinliche Panne geleistet. Denn Stephan M., gegen den einer der insgesamt 40 Durchsuchungsbeschlüsse vorlag, wurde nicht angetroffen. Der 40-Jährige, in der Kreuzberger Szene als „Mao“ bekannt, hat sich nämlich in der „Oranienstraße 1“ polizeilich gemeldet. Das Grundstück ist jedoch seit Jahrzehnten unbebaut, nur ein Baum wächst dort. M. wurde also nicht angetroffen.

Einen Tag später hatten Ermittler des Bundeskriminalamtes die mutmaßliche Arbeitsstelle recherchiert: eine Kreuzberger Grundschule. Doch auch hier holten sich die beiden BKA-Beamten am Donnerstag eine Abfuhr: M., der seit 2006 in der Schule einen Ein-Euro-Job hatte, sei bereits entlassen. Daraufhin wurde der 40-Jährige zur Fahndung ausgeschrieben. Der Generalbundesanwalt wirft M. vor, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein sowie einer der Autoren des Buches „Autonome in Bewegung“, das 2003 erschienen war. Frank Wallenta, Sprecher der Generalbundesanwaltschaft, wollte zu den Pannen keine Stellung nehmen.

Entlassen hat die Senatsverwaltung den Schulhelfer übrigens nach einem Artikel im Tagesspiegel, in dem der gebürtige Kreuzberger im Zusammenhang mit der 1.-Mai-Randale von 1987 zu seinen Erinnerungen befragt worden war. Ein hoher Beamter der Schulverwaltung begründete das so: „Jemand, der sich zum Steineschmeißen bekennt, kann man nicht auf kleine Kinder loslassen.“ Eine offizielle Stellungnahme der Schulverwaltung war nicht zu bekommen. Wie es in der Kreuzberger Grundschule hieß, sei „Mao“ niemals negativ aufgefallen: „Es gab keine Klagen.“ Allerdings sei die „krude Gesinnung“ des Mannes nicht bekannt gewesen, hieß es dort.

Seit neun Monaten organisierte Stephan M. den Milchverkauf in den Klassen und sammelte das Geld dafür ein – das ist eine ABM-Stelle eines freien Trägers. Bei diesem Verein fragte das BKA übrigens mit einem weiteren Tag Verzögerung nach Stephan M. nach – er habe Urlaub, teilte der Verein den Ermittlern am Freitag mit.

„Die sollen das doch einfach meinem Anwalt schicken“, sagte „Mao“ gestern. Im Übrigen wüssten alle, wo er in Kreuzberg wohne. Den Rauswurf aus der Schule bewertete er als „Berufsverbot für Zwangsarbeit“. Schade sei nur, dass er nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfe.

Dass sich Mao auf einem Trümmergrundstück polizeilich melden konnte, ist der Liberalisierung des Melderechtes vor einigen Jahren geschuldet. Bekanntlich wird nicht mehr überprüft, wer sich wo meldet. „Dass das BKA so schlecht informiert ist, kann ich gar nicht glauben“, spottete Mao gestern. Die Vorwürfe seien außerdem haltlos, sagt er.

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