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Macht richtig Laune. Björn Seeling auf Testfahrt mit dem Elektrorad „Pedelec“ im Volkspark Friedrichshain.

© Thilo Rückeis

Testfahrt mit dem Elektrorad: Turbostart mit 250 Watt unterm Hintern

Unser Autor ist erstmals mit einem E-Bike unterwegs und freut sich über Etappensiege im Berufsverkehr. Doch das Tempo treibt ihm manchmal Angstschweiß auf die Stirn.

Endlich ist der Tag der Revanche gekommen. So wie sich Radprofis über Etappensiege freuen, schätzt der Berliner Berufsverkehrsradler den Gewinn beim Ampelspurt: endlich den Pulk hinter sich lassen, die steifarmigen Mitte-Muttis auf ihren Hollandrädern, die verpeilten Friedrichshain-Fuzzis auf ihren Fixies, die angeberischen Prenzlauer-Berg-Heinis auf ihren Vintage-Bikes.

Die Reifen sind dick wie Pythons

Ich sitze aufrecht auf einem Gefährt, das ein bisschen so aussieht wie aus einem Stück geschmiedet. Der Rahmen wirkt über Gebühr massiv, die Reifen sind dick wie Pythons, der Lenker schwingt sich mir rückenfreundlich entgegen. Das unübliche Design fällt auch den Wartenden an der Ampel auf, die sich auf den sanften Anstieg zur Jannowitzbrücke vorbereiten. Vermutlich liegt es auch am Oberrohr, also der „Stange“, die einen leichten Hänger hat, was aber gar nicht mal so schlecht aussieht. Ich registriere noch einen spöttischen „Scheiß Touri“-Blick eines Rostlauben-Besitzers, da schaltet die Ampel schon auf Grün. Ich trete an, der Widerstand in den Pedalen ist angenehm, innerhalb von Sekunden nimmt die Geschwindigkeit zu: 5, 8, 10, 15, 20 km/h zeigt der digitale Tacho an. Mir wird wegen des Raketenstarts etwas bang, doch der Sieg ist meiner. Zumindest bei Ampelspurts ist das Elektrorad schon mal ein Knüller!

Der kleine Fahrtcomputer für Antriebsmodus und Navigation.
Der kleine Fahrtcomputer für Antriebsmodus und Navigation.

© Thilo Rückeis

Ausprobieren wollte ich solch ein Rad immer mal, vor allem in der Stadt. Denn bislang stand ich beim Radeln nur einmal unter Strom, während einer Tour durchs Lausitzer Seenland. Ich war vergangenen Sommer dort, weil ich sehen wollte, was es mit der angeblich größten von Menschenhand geschaffenen Wasserlandschaft Europas so auf sich hat: Ehemalige Tagebaue werden geflutet und sollen – eines Tages – eine Kette aus 20 Seen bilden. Drum herum führen, so las ich, ausgezeichnete Radwege. Nur die Entfernungen schienen mir zu groß für einen entspannten Wochenendausflug.

Erstaunlich, was so ein Ding mit der Power eines Küchenmixers bewirkt

Die Lösung: ein Elektrorad! Zupass kam mir, dass die Region auf E-Mobilität setzt, gleich mehrere Anbieter verleihen Elektroräder vor Ort. Was ich bei diesem ersten Fahrversuch gleich lernte: Das Gefährt unter meinem Gesäß heißt genau genommen gar nicht E-Bike, sondern Pedelec, was für „Pedal Electric Cycle“ steht. Ein 250-Watt-Motor hilft beim Treten, aber nur dann, wenn ich selbst in die Pedale trete. Das ist bei einem „richtigen“ E-Bike anders. Hier gibt es nichts zu treten, im Grunde ist es ein Mofa oder Roller, bei dem statt eines Verbrennungs- ein Elektromotor surrt.

Wirklich erstaunlich, was so ein Turboantrieb mit der Power eines Küchenrührgeräts bewirken kann. Drei, vier Mal treten, und schon hatte ich mein Reisetempo erreicht. Die Radwege im Lausitzer Seenland sind komfortabel: breit, glatt, ohne ständige Schlenker. Heidewitzka ging es durch die Heide und kleine Hügel hinauf. Wo sonst die Oberschenkel gebrannt hätten, brummte nun bloß der Motor etwas lauter. Schalten musste ich nach wie vor, wie bei einem muskelbetriebenen Rad.

Im Akku steckt auch nach 25 Kilometern noch genug "Saft"

Etwas Sorge bereitete mir, dass die Batterie – besser: der Akkumulator – irgendwann so leer sein könnte wie einer der Kanäle, die in der Lausitz als Verbindung zwischen den künftigen Seen gegraben wurden. Der Wasserstand reicht noch nicht, um sie zu füllen. Doch in meinem Akkumulator war auch nach fast 25 Kilometern noch ausreichend Saft vorhanden. Das war für mich eine Erkenntnis des E-Bike-Fahrens: Mit geladenem Akku komme ich bis ans Ende der Welt. Na ja, fast zumindest.

Es wäre auch wirklich unangenehm, irgendwo antriebslos zu stranden. Denn Räder mit Elektroantrieb sind nicht gerade leicht. Sie bringen rasch 20 oder gar 25 Kilo auf die Waage. Bei leerem Akku muss man sie mit eigener Kraft vorwärtsbewegen. Das hohe Gewicht sollte jeder bedenken, der wie ich sein Rad im Keller abstellen muss. Auch die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln wird anstrengend, wenn im Bahnhof der Aufzug – falls vorhanden – wie so oft streikt.

Radeln unter Strom ist ein verhältnismäßig teurer Spaß

Überhaupt zeigt sich beim Abstellen das nächste Dilemma: E-Bikes sind im Vergleich zu Fahrrädern noch ein verhältnismäßig teurer Spaß. Es gibt kaum welche unter 1000 Euro, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Für meine Tour durch die Stadt habe ich mir eines in einem Spezialgeschäft in Wedding geliehen, das in gebrauchtem Zustand schon an der 3000-Euro-Grenze kratzte. Das Problem dabei: In Berlin werden bekanntermaßen schon weitaus billigere Räder gestohlen. Dem mitgelieferten Faltschloss möchte ich nicht so recht trauen, auch wenn es massiv aussieht, und so steige ich die nächsten Stunden besser gar nicht aus dem Sattel. Natürlich gibt es Versicherungen, aber die kosten je nach Kaufpreis mehrere hundert Euro im Jahr.

Speedeinstellung am Lenker.
Speedeinstellung am Lenker.

© Thilo Rückeis

Wie in der Lausitz unterstützt mich auch das Stadt-E-Bike in mehreren Stufen beim Treten. Den Antriebsmodus stelle ich an einem kleinen Computer ein, der mir bei Bedarf auch als Navigationsgerät die Richtung vorgeben würde. Die Stufe „Ec“ ist, na klar, auf möglichst ökonomische Fahrweise ausgelegt. So reicht die Ladung des Akkus laut Hersteller für fast 150 Kilometer. Allein das Eco-Treten macht schon Spaß, weil ich schnell vom Fleck wegkomme und nicht nur den Jannowitzbrücken-Radlerpulk alt aussehen lasse. So richtig Laune kommt beim Sportmodus auf, der mir beim Anfahren so richtig Feuer unterm Hintern macht: Jetzt gucken auch die Autofahrer ungläubig, wenn ich bei Grün an ihnen vorbeiziehe!

Und so siehts aus: das getestete "Pedal Electric Cycle, kurz Pedelec.
Und so siehts aus: das getestete "Pedal Electric Cycle, kurz Pedelec.

© Thilo Rückeis

Allerdings: Bei etwa 25 km/h ist Schluss mit der Hilfe. Anfangs wundere ich mich, dass der Motor nicht mehr mitmacht, wenn ich mich dieser Schallmauer nähere. Bei der Rückgabe des Pedelecs erfahre ich, dass dies so gewollt ist; es ist rechtlich dem Fahrrad gleichgestellt, ich brauche deshalb keinen Helm und keine Versicherung.

Anders bei den schnelleren S-Pedelecs: Sie funktionieren zwar nach demselben Prinzip, aber mit ihren stärkeren Motoren und einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h gelten sie als Kleinkraftrad. Ich bräuchte einen Führerschein, um sie zu nutzen. Auch Radwege wären dann tabu. Dass dies gute Gründe hat, merke ich schon mit dem langsameren Rad. Selbst dessen Tempo bringt mich oft zum Schwitzen. Besonders auf Radwegen, die auf Bürgersteigen verlaufen, muss ich mich höllisch konzentrieren und bremsbereit sein. Also meide ich sie lieber. Auch jeder Schlenker um Bäume oder Haltestellen wird zur Herausforderung.

Dafür macht das Berg-und-Tal-Fahren richtig Laune. Im Humboldthain, den ich mir als Testgebiet gewählt habe, möchte ich am liebsten auf- und abfahren, bis der Akku leergesaugt ist. Mir gefällt auch die Vorstellung, dass ich mit dem Elektro-Rad auf dem Weg zur Arbeit fast zehn Minuten einsparen und nicht völlig derangiert im Büro ankommen würde. Die größte Genugtuung aber wäre, jeden Morgen den Ampelspurt an der Jannowitzbrücke zu gewinnen. Dafür nehme ich auch den Angstschweiß in Kauf.

Ab sofort am Kiosk: Das neue Radfahrheft des Tagesspiegels ist da

Los geht's. Coverausschnitt des neuen Tagesspiegel-Radmagazines.
Los geht's. Coverausschnitt des neuen Tagesspiegel-Radmagazines.

© Repro: Tsp

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