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Berlin: Testfahrt unterm Tiergarten

Am 26. März wird der Tunnel unter dem Regierungsviertel eröffnet. Gestern wurde die Nord-Süd-Verbindung erstmals vorgestellt

„Licht an, Radio ein“ , fordern Hinweistafeln bei der Einfahrt am Kemperplatz. Könnte sein, dass im Autoradio ein Stau im Tunnel vermeldet wird. Aber eigentlich soll im längsten zweispurigen Straßentunnel Deutschlands (2400 Meter) gar kein Stau entstehen, zumindest soll er schon vor der Einfahrt bekannt und die Zufahrt gesperrt sein. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) stellte gestern den neuen Tiergartentunnel vor. Er wird am 26. März eröffnet, am kommenden Sonntag kann er schon besichtigt werden – aber nur zu Fuß.

„Tunnel Tiergarten Spreebogen – TTS“ heißt der Bau für 390 Millionen Euro, zur Hälfte aus Bundesmitteln bezahlt. Er verbindet den Kemperplatz – jenes undefinierbare Areal an der Tiergarten- und Lennéstraße – und das Reichpietschufer im Süden mit Heide-, Invalidenstraße und Hauptbahnhof im Norden, am Rand des Spreebogens. Der Tunnel verläuft unter der einst für West-Berlin wichtigen „Entlastungsstraße“, weshalb er diese Nord-Süd-Verbindung überflüssig macht. Nach der Fußball-WM wird sie „renaturiert“, wieder zum Park.

Nun also kann sich bald die wichtige Verbindung im Zuge der B 96 unterirdisch bewähren. „Das eigentliche Durchfahren des Tunnels wird anfangs noch ungewohnt sein“, warnt die Senatorin vor der inoffiziellen Probefahrt. Jeder Autofahrer, der künftig hier hineinrollt, sei um erhöhte Aufmerksamkeit gebeten, um „Respekt“. Es werde ein ganz anderes Fahrgefühl geben, verspricht sie. Bevor sich das spüren lässt, erklären Fachleute der Bauverwaltung vor der Einfahrt erst einmal, wie viel „High Tech“ hier installiert wurde. Aus 430 Tunnellautsprechern zum Beispiel schallt es im Ernstfall beruhigend: „Haben Sie Geduld, Retter sind unterwegs“. 64 Radardetektoren ermitteln stets, wie viele Fahrzeuge im Tunnel sind und ob es ratsam ist, die Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h zu reduzieren. Oder per Schranken den ganzen Tunnel oder einige Zufahrten zu schließen.

Die Experten erklären Zu- und Abluftventilatoren, Fluchtwege, Notrufmelder oder Feuermeldekabel an der Decke. Sie weisen auf das Weiß der Wände hin, eine Neuheit im Tunnelwesen, sicherheitstechnische Vorgabe. Leider wohl auch viel zu schnell dreckig. Die Wände müssen regelmäßig gewaschen werden.

Und dann geht es für ein paar Autos von Verwaltung und Presse endlich rein in den Tunnel. Natürlich mit Licht, ans Radio denkt vor Aufregung keiner. Das Weiß der Wände ist sympathisch wie das helle Licht, irgendwie kommt schnell das Gefühl auf, schon grüße das helle Ende des Tunnels. Eine optische Täuschung. Die zwei Richtungsspuren wirken auch wegen des Standstreifens nicht zu eng, und schon verbreitert sich das Tunnelwerk, weil sich die Spuren vom Reichpietschufer eingliedern. Noch fädelt sich kein Auto ein. Die Fahrt geht mit 50 km/h zügig voran, eine leichte Kurve, die Straße des 17. Juni muss schon vorbei sein, vielleicht geht’s gerade unterm Kanzleramt vorbei oder unter der Spree. Ein Wegweiser an der Tunneldecke weist rechts nach Wedding/Heidestraße und geradeaus nach Prenzlauer Berg/Hauptbahnhof. Und dann taucht auf der rechten Seite etwas Merkwürdiges auf: Die Zufahrt zur Tiefgarage Hauptbahnhof. Sie ist noch abgesperrt, wirkt wie der Eingang in eine niedrige, sehr dunkle Höhle. Die normale Tunnelhöhe, haben die Fachleute zuvor erklärt, beträgt 4,85 Meter. Die Garagenzufahrt hat aber, ein Warnschild erklärt es, nur 2,20 Meter.

Bei der Ausfahrt zur Heidestraße wird aus zwei Spuren eine, ohne Einfädelungstechnik führt das vermutlich zum Stau. Vielleicht hätte man auch die Tunneleinfahrten mit einer Standspur versehen müssen. Aber vieles am Bau ist, wie ein Fachmann leise sagt, gewöhnungsbedürftig und kompliziert. „Es ist ein Straßentunnel“, betont die Senatorin, nicht mit einem Tunnel der Stadtautobahn zu vergleichen. Unvergleichbar oft musste die Eröffnung verschoben werden.

Erst sollte der Tunnel im Jahr 2000 fertig sein, der Abriss des Lehrter Bahnhofs kam dazwischen, 2004 gingen die Arbeiten weiter, nach Tunnel-Unfällen wurden höhere Sicherheitsstandards vorgeschrieben. Weil die „Software“ nicht stimmte, musste die Eröffnung noch zweimal verschoben werden.

Täglich sollen hier 50 000 Autos durchfahren. Am nächsten Sonntag von 11 bis 18 Uhr ist der Tunnel nur für Fußgänger offen. Ganz ohne Autolicht und Radio.

Christian van Lessen

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