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Sicher Surfen. Lehrer müssen die Internetkompetenz der Schüler fördern, sagen Experten. Bald können Grundschüler das „Internet-Seepferdchen“ ablegen. Foto: picture-alliance/ gms

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Teure Downloads: "Internetkompetenz ist so wichtig wie Mathe"

Experten, Schüler und Politiker fordern, dass Kinder möglichst früh mit den Tücken des Netzangebots vertraut gemacht werden.

Tausende Euro Gebühr, weil das eigene Kind im Internet unbedacht Musik heruntergeladen hat: Fast täglich werden offenbar bislang arglose Familien nach den Netzausflügen ihres Nachwuchses zur Kasse gebeten. Der Berliner SPD-Medienexperte Frank Zimmermann fordert deshalb mehr Aufklärung und eine Reform des Urheberrechts. „Kinder brauchen mehr Internetkompetenz, dazu müssen Eltern und Schulerziehung ineinandergreifen“, sagte Zimmermann. Nur wer sensibilisiert sei, könne sich vor zivilrechtlichen Fallen schützen. Wegen der Abmahnflut durch Anwälte der Musikindustrie sei eine Änderung des Urheberrechts nötig.

Wie berichtet, steht eine Zehlendorfer Familie derzeit vor dem finanziellen Ruin, weil ihr 12-jähriger Sohn seine Lieblingssongs illegal aus dem Internet geladen hatte – allesamt beworben mit: free Download. 295 Titel hatte der Junge gesammelt, als die erste Post von Anwälten eintraf. Bislang musste die Familie rund 3000 Euro Strafe zahlen. Für die Rechte aller Songs käme rund eine Viertelmillion Euro zusammen.

Experten und Politiker kennen die Masche mancher Anwälte. Solange es keine „zukunftsfähigen Regelungen“ bezüglich des Urheberrechts in der digitalen Welt gebe, würden „findige Geschäftsleute“ die Unwissenheit von Kindern ausnutzen können, sagte Konstantin von Notz, Netzexperte der Grünen im Bundestag. Internetnutzer – und oft deren Eltern – würden mit „empfindlichen Forderungen“ überzogen. SPD und Grüne plädieren für eine „Kulturflatrate“, wonach über eine Pauschale an die Rechteinhaber von Musik und Filmen deren Verbreitung im Internet legalisiert werden soll.

Das Museum für Kommunikation bietet Internetworkshops für Grundschüler an. „Leider gibt es von den Schulen viel weniger Nachfragen als erwartet“, sagte Museumspädagogin Jutta Scherm. Nur einmal im Monat kommen etwa 25 Schüler für den zweistündigen Kurs, bei dem es auch um die Sicherheit im Netz geht. „Wir beobachten, dass Kinder dahingehend sehr unbedarft sind.“ Das gelte häufig aber auch für deren Eltern. „Steht ,kostenloser Download‘ da, glauben das auch die meisten Erwachsenen“, sagte Scherm. Auch aus dem Haus des Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix heißt es: „Internetkompetenz muss im Grundschulalter gefördert werden.“

Den Vorwurf der Untätigkeit weist die Senatsschulverwaltung zurück. „Das Land Berlin arbeitet schon seit 2005 mit einem Umsetzungskonzept zu digitalen Medien im Unterricht“, sagt Oberschulrat Nikolai Neufert. Auf 6,3 Schüler komme in Berlin inzwischen ein PC. Die Hauptstadt liege damit über dem Bundesdurchschnitt. Im November soll eine neue Kampagne starten, bei der Grundschüler ein „Internet-Seepferdchen“ machen können. Hier wird ihnen der sichere Umgang mit Chats, Downloads und sozialen Netzwerken beigebracht. „Trotzdem können wir nicht garantieren, dass die Kinder nicht zu Hause am Rechner etwas Verbotenes tun.“ Micha Schmidt von der Landesschülervertretung Berlin sagt: „Internetkompetenz ist heutzutage genauso wichtig wie Mathe oder Englisch.“ Allerdings sei es schwierig, wenn „ein Lehrer Ende 50“ den Schülern etwas über das Internet erzählen solle. „Die Schüler wissen dann häufig mehr als der Lehrer selbst.“

Medienrechtler und Verbraucherschützer warnen Betroffene vor Eile bei Abmahnungen. Wer wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen aufgefordert wird, „strafbewehrte Unterlassungserklärungen“ abzugeben und damit Gebühren zu zahlen, sollte sich zunächst an einen Anwalt wenden, um zu prüfen, ob der Vorwurf und die Höhe der verlangten Gebühren stimmen. Bisher gibt es offenbar nur wenige Fälle, bei denen sich Betroffene durch alle Gerichtsinstanzen gegen Abmahnungen gewehrt hatten – wie etwa im Mai dieses Jahres: Der Anschlussinhaber eines Drahtlosnetzes war zum Zeitpunkt einer Urheberrechtsverletzung im Urlaub, sollte aber haften. Er musste dann nur die Kosten des Abmahnanwaltes der Musikindustrie (also rund 100 Euro) tragen.

Familien, die auf hohen Gebühren sitzen bleiben, und diese nicht bezahlen können, müssen möglicherweise Privatinsolvenz anmelden. „Ersatzhaft droht nicht“, sagte der Berliner Medienrechtler Alain Mundt. Immerhin ein Trost für die Eltern: Ins Gefängnis müssen sie nicht.

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