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Berlin: Teurer Kompromiss für die Charité

Vier Jahre lang wurde zäh verhandelt – heute soll der Aufsichtsrat dem neuen Tarif zustimmen. Der kostet die Uniklinik Millionen

Mehr Geld für Krankenpfleger, Schwestern, Verwaltungsmitarbeiter, Techniker – die rund 11 000 nichtärztlichen Beschäftigten der Charité sollen finanziell besser gestellt werden. Heute entscheidet der Aufsichtsrat des Universitätsklinikums auf einer Sondersitzung über den Kompromiss, den Charité-Vorstand und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nach vier Jahren zähen Ringens ausgehandelt haben – trotz der Bedenken von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Die Verdi-Mitglieder an der Charité haben den Tarifabschluss bereits angenommen. Die gestern beendete Urabstimmung habe 84 Prozent Ja-Stimmen gebracht, sagt Verdi-Verhandlungsführer Georg Güttner-Mayer.

Wenn auch der Aufsichtsrat den Kompromiss billigt, gilt an der Charité ab 2007 der bundesweite Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Der neue Vertrag läuft bis zum 31. Dezember 2010, bis 2012 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Schritt für Schritt werden die Löhne des Pflegepersonals, der Techniker und Verwaltungsangestellten angehoben, bis sie Ende 2008 schließlich bei plus 4,5 Prozent landen. Im Gegenzug sinkt das Weihnachtsgeld auf eine Pauschale. „Allerdings wird es niemandem finanziell schlechter gehen“, meint Güttner-Mayer. Eine ledige 35-jährige Krankenschwester ohne Kind zum Beispiel könne dann mit knapp 100 Euro brutto mehr im Monat rechnen: Das bisherige Einkommen von 2194 Euro würde nach Angaben der Gewerkschaft bis Ende 2008 auf 2291 Euro steigen.

Der Tarifkompromiss kostet die Charité weit mehr, als ursprünglich geplant. Vor einem Jahr hatte der Aufsichtsrat noch den Eckpunkten für einen Nottarifvertrag zugestimmt, wonach bei den Personalkosten für die nichtärztlichen Beschäftigten rund 18 Millionen Euro jährlich eingespart werden sollen. Nun kann die Charité nicht sparen, sondern muss sogar was draufpacken: Allein 2007 sind das 3,5 Millionen Euro zusätzlich. 2008 kämen 5,6 Millionen Euro hinzu, bis 2010 sind dann noch einmal insgesamt neun Millionen Euro mehr fällig.

Diese Summe ist sogar höher, als der Kompromissvorschlag von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS/Linkspartei) beinhaltete, mit dem er im August den drohenden Streik abwenden wollte. Dieser Vorschlag hätte für 2007 und 2008 „zu Kostenentlastungen von 5,3 bzw. 2 Mio. Euro“ geführt, schrieb Flierl damals an Sarrazin. „In den Jahren 2009 bis 2011 wäre mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 0,8 bis 9,1 Mio. Euro zu rechnen.“ Mit der Idee konnte sich Flierl im Aufsichtsrat der Charité jedoch nicht durchsetzen. Zu teuer, hieß es.

In der aktuellen Vorlage für die heutige Aufsichtsratssitzung argumentiert der Vorstand nun, dass die Kostensteigerung im Unternehmenskonzept der Charité schon eingepreist und deshalb kein Problem sei. Tatsächlich kalkuliert das Konzept, das den Sanierungskurs des finanziell unter Druck stehenden Universitätsklinikums bis 2010 festlegt, eine 1,5 prozentige Kostensteigerung bei den Personalkosten ein – jährlich fünf Millionen Euro. Ursprünglich hatte man dies aber in den Plan eingestellt, um zum Beispiel die Höhergruppierung von Mitarbeitern durch ein steigendes Lebensalter abzufangen. Und dieser Effekt gilt weiter und muss nach wie vor finanziert werden.

Als Erfolg wertet Verdi neben der Lohnsteigerung auch, dass die Arbeitszeiten ab 2007 einheitlich auf 39 Stunden wöchentlich begrenzt sind. Bisher arbeiteten Pfleger aus dem Westen 38,5 Stunden in der Woche, Kollegen aus dem Osten sowie Neueingestellte 40 Stunden.

Finanzsenator Sarrazin hält diese teilweise Arbeitszeitverkürzung auf 39 Stunden angesichts der Haushaltslage des Klinikums für ein falsches Signal. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass er an der Sitzung wegen der gleichzeitig stattfindenden Koalitionsverhandlungen von SPD und PDS gar nicht teilnehmen kann.

Auch die Charité-Führung reklamiert übrigens einen Erfolg für sich: Man habe erreicht, dass das Personal wesentlich flexibler eingesetzt und auch an andere Arbeitsstellen versetzt werden kann. Widerspruchs- und Mitbestimmungsrechte seien hier reduziert worden, heißt es.

Offiziell will die Charité-Führung das Verhandlungsergebnis aber noch nicht kommentieren. „Der Vorstand wird sich vor der Aufsichtsratssitzung nicht zu Details der Einigung äußern“, sagte Unternehmenssprecherin Kerstin Endele gestern.

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