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Berlin: The Day After

Fahles Licht, verschwiegene Pförtnerinnen – ein Blick in die Botschaft Nordkoreas

Es sei niemand zu sprechen, heißt es knapp. In Nordkorea sei Feiertag, die Mitarbeiter hätten frei. Was wird denn gefeiert? Die Gründung der Partei vor 61 Jahren. Immerhin nicht der Atomtest, mit dem die nordkoreanische Führung am Montag die Welt erschüttert hat. Neben dem Klingelschild verrät ein Schaukasten an der Einfahrt, was sich in dem hellgrauen Plattenbau in der Glinkastraße befindet: die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea.

In dem Schaukasten sieht man, wie Kim Jong Il, der Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas und Oberster Befehlshaber der Koreanischen Volksarmee – „ewiger Staatspräsident“ ist sein verstorbener Vater Kim Il Sung – erst kürzlich erfolgreich einer Militärparade beiwohnte. Es gibt Bilder, die Kim bei einer „Vor-Ort-Unterweisung“ zeigen: Da erklärt er Bauern, was sie für eine gute Ernte tun müssen. Und man erfährt, dass es in dem ostasiatischen Land eine Blumensorte gibt, die nach dem Parteichef benannt worden ist: die Kimjongilie. Auf den ausgestellten Fotos sind lächelnde Nordkoreaner bei einer Kimjongilienschau zu sehen.

An anderen Tagen könnte der Besucher nun bequem durch eine Tür in dem hohen Gitterzaun spazieren. An dem fünfstöckigen Betonriegel mit gardinenverhangenen Fenstern entlanggehen, ohne einen Menschen zu sehen, schließlich durch eine Milchplexiglastür in einen engen, fahl beleuchteten Flur treten. Links findet sich eine Pförtnerloge mit zwei uniformierten Frauen, ihnen gegenüber eine Reproduktion eines dasVaterland feiernden Prachtgemäldes. Hinten ein Aquarium mit apathischen Goldfischen.

Die Pförtnerin blickt einen fragend an. Die andere Frau sitzt aufmerksam daneben und ist wohl die Erste Parteisekretärin der Pförtnerloge. Faltblätter oder Broschüren mit Informationen über das Land gibt es nicht; wer eine Frage hat, dem reicht die Pförtnerin einen Telefonhörer aus der Loge und verbindet mit einem Kader in irgendeinem fernen Raum der Botschaft. Der antwortet knapp, dann heißt es wieder zu gehen. Vorbei an den verhangenen Fenstern und bis zum Tor der Ausfahrt, das nun geisterhaft wie von selbst aufschwingt.

Die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea hat einen wieder entlassen. Vor 100 Jahren befand sich an dieser Stelle das Gästehaus der preußischen Regierung, später stand hier das Hotel Kaiserhof. Nach dem Krieg entwickelte sich die Gegend um den U-Bahnhof Mohrenstraße zum Botschaftsviertel von Ost-Berlin. Anfang der 70er Jahre ließ Nordkorea die Botschaft bauen, und als solche dient das Gebäude heute wieder – nach dem Untergang der DDR 1990 nahm die Bundesrepublik erst 2001 diplomatische Beziehungen zu Nordkorea auf.

Sofern man denn von Beziehungen reden kann. Auch die Nachbarn der Botschaft sehen deren Mitarbeiter nur selten, heißt es in der Glinkastraße. Gelegentlich sollen sie in der Apotheke gegenüber Aspirin kaufen oder zum Discounter um die Ecke gehen. 312 Nordkoreaner wohnen nach Senatsangaben in Berlin – die meisten wohl im Botschaftsgebäude selbst, wo sie jetzt hinter Gardinen ihre Parteigründung feiern. hah/how

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