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Theater am Kurfürstendamm: Ein stimmiger Charakter

Seit 34 Jahren synchronisiert Schauspielerin Hansi Jochmann ihre Kollegin Jodie Foster. Jetzt spielt der frühere Kinderstar aus Berlin mal wieder Theater.

Sie sagt es mehrfach, dann muss es wohl stimmen, das "Am liebsten mache ich gar nichts", das "Ich bin stinkfaul" und das "Privatleben ist mir wichtiger als Berufsleben". Dass man Hansi Jochmann die Müßiggängerin trotzdem schwer abnimmt, hat was mit ihrer gefühlten Allgegenwärtigkeit zu tun. In Kinofilmen wie "Zettl", in Fernsehserien wie "Pfarrer Braun" und als Stimme in Hörbüchern, Fernsehdokumentationen und Synchronrollen. Dieser spröde, leicht metallische, sich ins Ohr bohrende Klang. Leicht unter 1000 Stimmen rauszuhören, was auch was hiermit zu tun hat: Hansi Jochmann ist die deutsche Stimme von Jodie Foster. Seit der ersten Synchronisation von "Taxi Driver" vor 34 Jahren sind 25 Foster-Jochmann-Filme zusammengekommen. Das prägt.

Nun steht die Schauspielerin seit zwölf Jahren zum ersten Mal wieder auf der Theaterbühne. Zu Hause in Berlin in der Komödie am Kurfürstendamm. In der Tragikomödie "Paradiso" spielt sie zusammen mit Christine Ostermayer eine Geschichte ums Altern. Regie führt Helmut Baumann, der früher Intendant des Theaters des Westens war. Bei ihm habe sie in den Achtzigern schon mal am Schillertheater gespielt, erzählt Jochmann, die dort 15 Jahre zum Ensemble gehörte. Und auch hier in der rotplüschigen Komödie, wo nach dem Absetzen der brünetten Probenperücke wieder ihre roten Locken zum Vorschein kommen, hat sie schon mal gespielt. 1967 mit Johanna von Koczian in "Warte bis es dunkel wird". "Und das kleine Mädchen in der Verfilmung mit Audrey Hepburn habe ich auch synchronisiert", sagt Jochmann, die mit ihren fast 60 Lebensjahren viel mehr Bühnenkarriere hinter sich hat, als mancher jemals vor sich.

Die 1953 in Friedrichshain geborene, in Wilmersdorf aufgewachsene und nach einigen Londoner Jahren seit 2000 in Wannsee ansässige Schauspielerin war nämlich mal so was wie ein Kinderstar. Mit Fernsehauftritten, Plattenvertrag, Kinderrollen und allem Zipp und Zapp. Konnte als Tochter eines Opernspielleiters und einer Tanzsoubrette wohl auch gar nicht anders kommen. Als Sechsjährige hat Wolfgang Staudte sie 1959 als kleine Schwester von Götz George in "Kirmes" besetzt. "Ich saß auf'm Spielplatz im Preußenpark", erzählt Jochmann, die Mutter bekam einen Anruf, für eine Filmrolle werde dringend ein Mädchen gesucht, schon ging's los "und Staudte hat mich unter 200 Kindern ausgesucht, weil ich eine große Schnauze hatte".

Die kommt auch 1965 forsch rüber, als Hansi, inzwischen 12, in Lou van Burgs Fernsehshow "Der goldene Schuss" mit Louis Armstrong im Duett "Onkel Satchmo’s Lullaby" schmettert. Witzig und toll sei der Mann gewesen, sagt Jochmann und weiß noch genau, wie sie sich auf dem Flughafen Tempelhof in der Haupthalle am Schalter der Fluglinie PanAm getroffen haben. "Er kam nach seiner sensationellen DDR-Tournee direkt vom Checkpoint Charlie und dann sind wir zusammen nach Frankfurt zur Show geflogen." Sechs Minuten Applaus und Standing Ovations hat Jochmanns stolze Mutter nach dem denkwürdigen Duett gestoppt. Aus der großen Gesangskarriere beim Label Electrola ist aber im Gegensatz zur ebenfalls mit sechs gestarteten Sprecherinnenkarriere bei der Berliner Synchron nichts geworden. Letzteres war dann doch deutlich mehr ihr Ding.

Mit Jodie Foster sei sie neun Jahre auseinander, sagt Jochmann. Foster war 14 und Jochmann 23 und froh, die Kinderrollen endlich für immer los zu sein, als sie sie erstmals synchronisierte. "Aber dann passte das sofort", sagt Jochmann. "Ich spüre, was sie denkt", sagt sie über die Schauspielerin, deren Charakter sie stimmlich so präzise abbildet wie niemand in Deutschland sonst. Und dass sie sich ähnlich seien: tough, gestanden, ernsthaft. Getroffen haben sich die beiden mehrfach. Beim ersten Mal war Foster zur Berlinale in der Stadt und Jochmann vorher furchtbar nervös. "Dann wusch mir ein Kollege den Kopf und sagte: Bist du verrückt, die ist doch nur Schauspielerin, genau wie du." Das hat sie ein für allemal von zu viel Ehrfurcht vorm Hollywoodstar kuriert.

Ohnehin ist Jochmann kein übermäßig ehrfürchtiger Typ. Ohne jede Neigung, das eigene Handwerk zu beweihräuchern. "Das Textlernen ist furchtbar", stöhnt sie und erzählt, dass sie sich darüber immer am Telefon mit ihrer Münchner Freundin Gisela Schneeberger austausche. Die hasst das genauso. "Gerade ein Zweipersonenstück wie ,Paradiso‘ ist tierisch anstrengend, besonders wenn man 12 Jahre kein Theater gespielt hat." Warum sie es trotzdem macht? "Weil mich das Thema ,Wie will ich im Alter leben‘ schon ewig beschäftigt", sagt sie. Das müsse man sich doch mit 65 spätestens überlegt haben. "Meinen Kindern will ich nicht zur Last fallen. Mein Vorbild ist Henning Scherf mit seiner Bremer Alten-WG." Später immer noch von Wannsee ins Stadtzentrum rein ins Kino oder Theater zu fahren, das sei doch nichts. "Ich will wieder mittenmang." Aber erst mal will sie möglichst oft auf große Fahrt. Lange verreisen ist Jochmanns Hauptleidenschaft. "Was sehen, was ich noch nicht gesehen habe." Das könnte sie gut alle Tage machen.

Komödie am Kurfürstendamm, Premiere am 13. April, 20 Uhr, bis 3. Juni, Tickets kosten zwischen 13 und 47 Euro und sind auch im Tagesspiegel-Shop im Verlagshaus am Askanischen Platz 3 in Kreuzberg erhältlich, direkt an der S-Bahnstation Anhalter Bahnhof, geöffnet Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Ticket-Telefonnummer 29021521.

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