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Emil von Schönfels in "Alice" vom jungen Deutschen Theater.

© Arno Declair/ promo

Theatertreffen der Jugend: Du bist Alice

Auf der Bühne passieren absurde Dinge. Es wird an unsichtbare Türen geklopft. Aus Menschen werden Schweine. Unsere Jugendblog-Autorin freut sich aufs Theatertreffen der Jugend.

„Theater ist langweilig und verstaubt.“ Das war die Reaktion meiner Nachbarin, als ich ihr erzählte, dass ich heute ins Theater gehe. Mit irritiertem Blick schaue ich sie an und frage, was sie denn in ihrer Freizeit guckt. Meine Nachbarin erzählt von einer Serie und sagt, es sei eine Welt für sie zusammen gebrochen, als x nicht mehr mit y zusammen war.

Ich schaue selber gerne Serien, um mich von meinem Alltag abzulenken. Oft geht es da um Probleme, die ich selber habe. Streit mit den Eltern oder die beste Freundin, die einem in den Rücken fällt. Aber eigentlich finde ich es anstrengend, in eine Welt zu fliehen, die meiner eigenen sehr ähnlich ist. So kann ich kaum Abstand zu den eigenen Problemen gewinnen.

Meine Nachbarin versteht meinen Einwand nicht und wendet sich wieder ihrer Serie zu. Neben ihr liegt ein gelbes Reclamheft, das sie für die Schule lesen muss. Antigone. Na gut, ich kann ihre Kritik verstehen. Wer liest schon gerne eine Tragödie von 442 v. Chr. zum Einschlafen?

Dabei tut es gut, einfach mal herumzuspinnen. Beim Theater kann man genau das machen. Die meisten Stücke sind viel abstrakter und überspitzer als Filme. Ich finde, man gewinnt Abstand durch die Abstraktheit, weil so absurde Dinge auf der Bühne passieren. Es wird an unsichtbare Türen geklopft. Aus Menschen werden Schweine. Theater reflektiert auf kreative Weise Menschen und ihre Verhaltensmuster. Also uns.

Der Hase fragt das Publikum

Beim Film schauen wir passiv auf eine Leinwand. Bei dem Film „Alice im Wunderland“, wo Jonny Depp den verrückten Hutmacher spielt, sehen wir, welchen Tücken sich Alice stellen muss und wie sie sie überwindet. Ganz anders ist das bei der Bühnenversion vom jungen Deutschen Theater, denn wir werden durch Alices Augen in das rosarote Wunderland entführt. Als Zuschauer verlierst du für die Dauer des Stücks den Bezug zu deiner Welt, denn du bist Alice.

„What time is it?“, fragt der Zeithase schüchtern ins Publikum und lässt nicht locker, bis er eine Antwort bekommt. So verwischen sich Grenzen, das Publikum wird  Teil des Spiels. Das Wunderland nimmt einen auf, erschaffen durch Kinder mit ihren eigenen Regeln. Erwachsene können durch Alice wiedererleben, wie es ist, seine Identität zu suchen. Wer bin ich? Wie ist es, jemand anderes zu sein? Und wenn man noch nicht genau weiß, wer man eigentlich sein möchte, kann man im Wunderland bleiben und weiterhin Kind sein.

Beim 36. Theatertreffen der Jugend in Berlin geht es genau darum. Es geht um die Welt der Erwachsenen, um deren Sicht auf und deren Erwartungen an die Jugend. Wird uns unser Verhalten vorgeschrieben, wovon sind wir bei unserer Identitätssuche beeinflusst?

Vom 29. Mai bis 6. Juni werden acht Jugendtheaterproduktionen präsentiert, die von einer Jury in einem deutschlandweiten Wettbewerb ausgewählt und zum Theatertreffen der Jugend eingeladen wurden. Mit dabei sind unter anderem aus Berlin das junge DT mit ihrem Stück „Alice“ und der Jugendclub vom Gorki Theater mit der Theaterproduktion „Kritische Masse“.

Die jungen Schauspieler zwischen zehn und 24 Jahren haben die Chance, sich gegenseitig auszutauschen, zu kritisieren und Tipps zu geben. Abends führt jeweils eine der Theaterproduktionen ihr Stück bei öffentlichen Aufführungen im Haus der Berliner Festspiele auf. Eintritt 8 €/ erm. 5€. Programm: www.berlinerfestspiele.de

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Carla Hegnon, 17

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