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Berlin: Theodor Rosenhauer: Das Brot der späten Jahre

Um für eine Vernissage ein anständiges Büfett auszurichten, bedarf es nicht viel. Gewiss, man könnte alle erdenklichen Leckereien des hauptstädtischen Catering-Wesens auffahren, bis der Tisch sich biegt.

Um für eine Vernissage ein anständiges Büfett auszurichten, bedarf es nicht viel. Gewiss, man könnte alle erdenklichen Leckereien des hauptstädtischen Catering-Wesens auffahren, bis der Tisch sich biegt. Aber es geht auch so: Wein, eine Schale Salz, Schnittlauch, Butter - und Brot. Dieses in vielen Variationen, mit diesen Körnern oder mit jenen, die krossen Laibe mal mit Mehl bestäubt, mal ohne, ein Fest einfacher Gaumenfreuden. Die Feinkost-Experten des Gewerbes müssten sich schon sehr anstrengen, um einen vergleichbaren Genussfaktor zu erzielen.

Genau das Richtige also, um einem Mann wie dem Maler Theodor Rosenhauer zu genügen, um ihn und seine Bilder nicht nur Blick für Blick, sondern zugleich Bissen für Bissen zu ehren. Denn Brote hat er wieder und wieder gemalt, auch unter den 30 Gemälden, die in der Wannseer Galerie Mutter Fourage anlässlich seines 100. Geburtstages am 8. Mai gezeigt werden, findet sich mancher Laib in Öl. Übrigens seien es Wannseer Brote, versichert Galerist Wolfgang Immenhausen, erzählt von früheren Besuchen des Dresdner Malers bei seinem Sohn in Wannsee, bei denen diese Bilder entstanden. Dem Sohn im Westen Gemälde mitzubringen, verboten die Ausfuhrbestimmungen der DDR. Aber Brot ist Brot, das konnte er hier wie dort malen. Ohnehin kam es Rosenhauer nicht auf den Geschmack, sondern aufs Aussehen an. Manche wackere Bäckerin, so wird berichtet, musste ihm kopfschüttelnd bei der Suche nach geeigneten Exemplaren beistehen. Er wolle das Brot ja nicht essen, sondern malen, hatte ihr seltsamer Kunde erklärt.

Mutter Fourage darf man sich ohne weiteres als Idyll vorstellen: eine Mischung aus Galerie, Café, Feinkostladen und Gärtnerei (mit erheblichem Terracotta-Sortiment), nebst regelmäßigem Kulturprogramm - in mancher Hinsicht einen Besuch wert, gerade in hoffentlich bald wieder sonnigen Zeiten. Aber selbst Regen hätte die Vernissage nicht vermasselt, bieten doch Scheune und Remise Ambiente genug. Oft handeln die Ausstellungen von Wannsee. Ehemals ortsansässige Künstler wie Max Liebermann oder Philipp Franck bieten Gewähr, dass die lokale Ausrichtung nicht im Provinziellen mündet.

Auch Theodor Rosenhauer findet hier seinen Platz, obwohl er doch der Dresdner Schule zugerechnet wird und nahezu sein ganzes Leben in der ehemaligen Wohnung der Eltern in Dresden-Altrachau lebte. Im Januar 1992, während eines Besuchs bei seinem in Wannsee lebenden Sohn, erlitt er einen Schlaganfall und wohnte seitdem dort in einem Seniorenheim, bis zu seinem Tod am 14. Juni 1996. Das Brot der späten Jahre malte und aß er in Wannsee, auf dem Neuen Friedhof in der Lindenstraße ist er begraben.

Schon vor einiger Zeit hatte Stefan Bongers-Rosenhauer bei dem Galeristen wegen einer Gedächtnisausstellung für seinen Vater angefragt, jetzt, zum nahen 100. Geburtstag, konnte dieser schlecht Nein sagen, auch wenn die ausgestellten Arbeiten, von einigen graphischen Werken abgesehen, nicht zum Verkauf stehen, sondern Leihgaben aus dem vom Sohn verwalteten Nachlass sind. Schon der Vater hatte sich, was die Vermarktung seiner Bilder anging, sehr bedeckt gehalten, wollte lieber gar keines herausrücken oder suchte potenzielle Käufer durch den geforderten Preis abzuschrecken.

Ein Künstler offenbar, der quer zu allen Ritualen und Gepflogenheiten des Kunstmarktes lag. Anfang der 20er Jahre hatte er mit Malen begonnen, wurde an der Akademie für Bildende Künste in Dresden unter anderem von Oskar Kokoschka gefördert, schloss sein Studium als einer der besten seines Jahrgangs ab, hatte Kontakt zu Otto Dix, Gustav Gründgens, Heinrich George, ein junger Künstler mit Aussicht auf eine glänzende Karriere. Als er allerdings 1934 nach einstimmigem Vorschlag des Dresdner Akademielehrkörpers zum Hochschullehrer berufen werden sollte, lehnten die NS-Behörden ab. Der offiziellen Kunstdoktrin waren die stillen Bilder Theodor Rosenhauers, ihr unpathetisches Preisen des Einfachen, Alltäglichen suspekt. Werke wie der "Junge mit rotem Schiff" von 1936 etwa: eine melancholische Szene, der Junge tief in Gedanken versunken, der Spielzeugdampfer, der Schlüssel zum Aufziehen unbeachtet vor ihm auf dem Tisch - das war nicht der nationalsozialistische Zukunftsoptimismus, wie er in der HJ gepflegt wurde.

Auch die DDR-Oberen wussten mit Rosenhauer zunächst nur wenig anzufangen. "Mangelhafter Optimismus" wurde ihm in den 50er Jahren vorgeworfen, es dauerte noch bis 1968, dass ihm im Dresdner Albertinum die erste Einzelausstellung zuteil wurde, diese allerdings mit großem Erfolg: Zwei Jahre lang wanderte sie durch Leipzig, Cottbus, Zwickau, Görlitz und Magdeburg.

Trotz Rosenhauers Zurückhaltung beim Verkauf hatte sich im Laufe der Zeit doch eine ganze Reihe von Werken in den großen Museen der DDR angesammelt. 1973 war dem Maler der Nationalpreis der DDR verliehen worden, 20 Jahre später wurde er Ehrenmitglied der Akademie der Künste in Berlin.

Vereinnahmen ließ er sich trotz aller Ehrungen aber von niemandem, übte seine Kunst zwar nicht quer, doch parallel zu all den gängigen Strömungen aus, seien es nun die der Politik oder der Kunst. Und eine Vernissage mit aller Raffinesse? Hätte ihm ganz bestimmt nicht gefallen. Butter, Salz, Brot und Wein - was braucht man mehr.

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