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Thilo Sarrazin: Zum Abschied eine Rechenmaschine – leihweise

Finanzsenator Thilo Sarrazin ist geehrt worden. Sein Nachfolger als Berlins Finanzsenator, Ulrich Nußbaum, mahnt Solidarität mit Schwachen an.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Seit dem 1. Mai hat Berlin einen neuen Finanzsenator. Ulrich Nußbaum (52), Fischgroßhändler aus Bremerhaven und bis 2007 für die Finanzpolitik in Bremen zuständig, erhielt am Donnerstag im Roten Rathaus die Ernennungsurkunde. Das Angebot des so charmanten Regierenden Bürgermeisters Wowereit, in der deutschen Hauptstadt Finanzsenator zu werden, habe er nicht ausschlagen können, sagte Nußbaum vor einigen hundert Gästen in seiner Antrittsrede.

Dann kam er auch schon zur Sache. Mit den wegbrechenden Steuereinnahmen im Zuge der Wirtschaftskrise müsse auch Berlin „ehrlich umgehen“. Die Stadt stehe erst am Anfang der Konsolidierungsphase und es gebe noch einige Bereiche, „wo man etwas machen muss“. Als Beispiele nannte Nußbaum den öffentlichen Dienst, dessen Wünsche nicht alle erfüllbar seien. Die Sozialleistungen könnten noch effizienter werden, um jene zu erreichen, die das Geld am dringendsten brauchten. Und auch bei den Landesunternehmen gebe es noch Verbesserungspotenzial. Dennoch plädierte der neue Finanzsenator für eine „sozialverträgliche Finanzpolitik“. Das bedeute, Solidarität aufzubringen. Gerade die wirtschaftlich Starken müssten ihren Beitrag für das Gemeinwesen leisten. „Dann spricht es sich mit mir auch leichter.“

Im Mittelpunkt des großen Empfangs im Rathaus stand aber Thilo Sarrazin (SPD). Der scheidende Finanzsenator war am Donnerstag sichtlich gerührt, als er im gut gefüllten Festsaal auf den Geschenketisch schaute, der zu seinem Abschied aufgebaut war. „Eine Rechenmaschine, was sagt man dazu.“ Neben einigen Krimis und dem Standardwerk von Charles Darwin über die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese stand dort das kleine, schwarze Stahlgehirn. Eine Brunsviga aus den zwanziger Jahren, damals ein weltberühmtes Produkt der Braunschweiger Firma Grimme, Natalis & Co. Als kleiner Dank des Senats für sieben Jahre harte Arbeit für Berlin, aus dem Technikmuseum, aber nur als Leihgabe. Sarrazin musste gleich einen Leihvertrag unterschreiben und einen Euro Gebühr an die Landeskasse zahlen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit lobte in seiner Dankesrede den künftigen Bundesbanker, der eine „stolze Bilanz“ vorweisen könne. Und er erinnerte an „manche Schrecksekunde, wenn man morgens die Zeitung aufschlug und Thilo Sarrazin mal wieder die ganze Republik in Aufruhr brachte“. Manchmal habe er sich gefragt, verriet Wowereit: „Was macht man mit einem Senator, der nur bedingt lernwillig ist?“ Er habe ihm mehrfach gedroht, aber das habe nur wenig genutzt und anschließend habe Sarrazin schon wieder, wie Max und Moritz, die nächste Gemeinheit vorbereitet. Doch am Ende sagte Wowereit unter großem Beifall: „Wir werden ihn alle vermissen und wir haben hohen Respekt vor seiner Leistung.“

Der so Geehrte blickte, mit gewohnt trocken-britischem Humor auf seine Amtszeit zurück. „Als ich im Januar 2002 gewählt wurde, habe ich mir gedacht: Mein Gott, worauf hast du dich da eingelassen.“ Aber er habe sich vorgenommen, sagte Sarrazin, im ersten Amtsjahr auf keinen Fall zurückzutreten. „Wenn schon, dann müssen die mich rauswerfen.“ Trotz vieler Widerstände habe er sich mit seiner harten Konsolidierungspolitik im Grundsatz unterstützt gefühlt. Die öffentlichen Medien seien übrigens seine größte Unterstützung gewesen. „Wie ein Lautsprecher mit 1000 Watt.“ Sarrazin bleibt Berliner Bürger, trotz des neuen Aufgabenfeldes in Frankfurt/Main als Vorstandsmitglied der Bundesbank. Gestern versprach er, ab jetzt nichts mehr zur Berliner Finanzpolitik zu sagen, „jedenfalls bis zur Wahl 2011“.

Anschließend musste Sarrazins Nachfolger Nußbaum zum Abgeordnetenhaus fahren, wo ihm Parlamentspräsident Walter Momper um 15.05 Uhr während der Plenarsitzung den Amtseid abnahm. „Ich schwöre“, sagte der neue Mann. Das war’s erst mal. „Morgen geht es los, heute haben Sie noch Urlaub“, verabschiedete Momper den promovierten Juristen, der parteilos ist. Vor der Vereidigung hatten Frau Nußbaum, Tochter und Sohn die Vereidigungszeremonie von der Zuschauertribüne aus verfolgt. Etwas irritiert verfolgten sie die Fragestunde. Vor allem als ein CDU-Abgeordneter wissen wollte, ob Nußbaum für sein Privatauto, einen Bentley, schon die Umweltplakette beantragt habe. Die Fachsenatorin Katrin Lompscher (Linke) wimmelte ab: „Das fällt in die Zuständigkeit der Bezirke“. Ulrich Zawatka-Gerlach

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