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Nichts ist unmöglich. Die Eule der Filmtierschule Harsch fliegt durch Märchenfilme.

© Kitty Kleist-Heinrich

Tierdressur: Das wilde Wohnzimmer

Ein Schwein rollt fürs ZDF den Teppich aus, ein Pinscher reitet für einen Werbespot auf dem Staubsauger: Wenn in Berlin Tiere vor der Kamera stehen, stammen sie meist aus der Schule von Familie Harsch.

Von Julia Prosinger

Normi stakst über eine Wippe, seine rosa Beine zittern, suchen Halt. Normi rollt einen roten Teppich aus, mit der Nase, Speichel tropft. Normi schubst eine Dose durch den Raum, bis die sich zwischen Tischbein und Wand verkantet. Normi ist zehn Monate alt und ein Minischwein. Mit dieser Nummer ist er der Star in der ZDF-Serie Löwenzahn. „Zum Glück sind Schweine verfressen“, sagt Astrid Harsch, 45, graue Haare. Um ihre Hüfte hängt ein schwarzer Lederbeutel, voll mit kleinen Fleischbrocken. Ohne Belohnung, sagt sie, kann man Tiere nicht dressieren. In der Dose ist ein Loch: Normi stubst, Leckerlis fallen heraus.

Wenn in Berlin und Umgebung Tiere vor der Kamera stehen oder wie gerade in „ Ein Volksfeind“ an der Berliner Schaubühne mitspielen (Schäferhund), dann kommen sie häufig von der Filmtierschule Harsch in Neustadt/Dosse. Mehr als 200 Tiere, einheimische und wilde, wohnen hier. Die Elstern der Harschs klauen in Krimis Klingelbeutel, ihre Zwergotter bezirzen schöne Frauen in Werbespots, ihre Schleiereulen fliegen durch Märchenfilme. „In Tierärztin Dr. Mertens haben praktisch alle unsere Tiere mitgespielt“, sagt Gerhard Harsch, 53, rote Haare, derbe Hände. Er dressiert auch fremde Tiere: „Wir haben ja nicht alle Hunderassen vorrätig.“

Seit 1988 sind die Harschs beim Film. Damals suchte Dieter Bohlen eine Vogelspinne für ein Musikvideo, die Harschs hatten eine. Weil sie schon immer Tiere gesammelt und gezähmt haben. Wenn schon Wildtiere in Gefangenschaft, dann so wie bei ihnen, sagen sie. Weil sie mit den Tieren leben, sie in ihr Wohnzimmer, das in einem Flügel des Schulhauses liegt, oder in ihrem Auto mitnehmen. Weil sie kaum Urlaub machen, weil sie der scharfe Gestank des Tigers nicht mehr stört, sie den Gepard 100 Stundenkilometer schnell auf der Wiese rennen lassen, abends Spaziergänge mit den Hyänen machen. Weil auch ihr Sohn bei ihnen arbeitet, ein ausgebildeter Tierpfleger. Und weil bei ihnen ein Tier nicht muss, wenn es nicht will.

Normi ist zehn Monate alt, ein Minischwein und der Star in der ZDF-Serie Löwenzahn.
Normi ist zehn Monate alt, ein Minischwein und der Star in der ZDF-Serie Löwenzahn.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die meiste Zeit sind die Harschs und ihre Angestellten aber mit Putzen beschäftigt. Sie wischen Eulenkot von den Terrarien der Sandvipern und Kreuzottern, schrubben die Tigerklobrille auf der Besuchertoilette, wechseln die Handtücher mit den Geparden darauf, misten Volieren und Paviangehege aus. „Schweine sind bodenständig“, sagt Astrid Harsch. Sie redet jetzt nicht über Normis Charakter. Sie redet über seine kurzen Beine und darüber, dass er es mit der Höhe nicht so hat. Manchmal wollen Regisseure aber, dass Normi durch einen Reifen springt. „Das ist unlogisch“, sagt Astrid Harsch dann. Aber weil Normi noch verfressener als bodenständig ist, kann er inzwischen über einen Balken springen.

Und dann haben die Tiere, sagt Frau Harsch, ja noch einen Charakter. Manche wollen schmusen, manche ziehen den Schwanz ein, sträuben das Fell, manche sind nervös, bibbern, laufen weg. „In fremden Räumen zeigt sich, ob ein Tier Talent hat.“ Wenn es dort immer noch Augen für Leckerchen hat, ist es für die Kamera gemacht. Später am Set muss es aufgeregte Filmcrews, grelles Licht und Zeitdruck aushalten. Vor jedem Dreh überlegen die Harschs, welches Tier und welche Rasse sich für die Aufgabe eignet und lesen sich alles darüber an. „Die Tiere müssen sich selbst spielen“, sagt Astrid Harsch.

Reptilien, zum Beispiel, kann man nicht trainieren, man muss ihr Verhaltensmuster kennen. Klapperschlangen haben Wärmerezeptoren, sagt Gerhard Harsch. Man lockt sie mit einem Feuerzeug, dann rascheln sie. Cobras hingegen, erklärt er gestenreich, sind Augentiere, sie reagieren auf Bewegungen. Wer weiß, wie er sich ihnen nähern muss, kann die stehende Schlange sogar sacht zu Boden drücken.

Ein Hund hat mehr Spieltrieb als ein Schwein, ist aber nicht so gierig, sagt Astrid Harsch. Im Vorführraum tost jetzt ein Staubsaugerroboter – der Zwergpinscher darauf wedelt mit dem Schwanz, obwohl das Gerät abrupt die Richtung wechselt. Eine Nummer, die Astrid Harsch ihm für einen Werbespot antrainiert hat. Erst auf einem kleinen Wagen, damit er sich an die Bewegung gewöhnt.

„Die Sahneschnitten müssen aus der Tiefkühltruhe raus“, ruft Astrid Harsch plötzlich. Eben klettert ihr ein Chamäleon durchs Haar. Gleich kommt ein Bus voll Rentner, die wollen Geparden anschauen – und dabei Kuchen essen.

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