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Vor allem für die Tiere in der Innenstadt interessiert sich Derk Ehlert, der Wildtierbeauftragte des Senats. Zu seinen alten Bekannten gehört Waschbär Alex, der in einer Hotelgarage lebt. Neu ist dagegen der Uhu, der auf dem Märkischen Museum gesehen wurde.

© Uwe Steinert

Tiere in der Innenstadt: Die Wildnis ist nah

Angriffslustige Krähen, gefräßige Wildschweine, Waschbären, Seeadler und ein Uhu – diese Stadt ist ihr Revier

Wo steckt eigentlich der Uhu vom Märkischen Museum? Ist der einzige Berliner Seeadler nach dem Bleischrot-Tod seiner Gefährtin vor einem Jahr wieder liiert? Wieso sind die Wildschweine nach dem angeblichen Rekordwinter fetter denn je? Warum hacken die Buntspechte neuerdings auf frisch sanierte Häuser ein? Und kreisen die Killerkrähen aus dem Park am Deutschen Theater schon wieder über den Passanten? Zum Start der Draußen-Saison wird es höchste Zeit, sich dem wilden Berliner Tierleben zu widmen.

Um also mit dem Adler zu beginnen: Er hat eine Neue und brütet schon wieder im Müggelwald, berichtet Rainer Altenkamp, Greifvogel-Experte beim Naturschutzbund Nabu. Werde ein Revier frei, finde sich dank wachsender Bestände schnell ein Interessent. Da 120 der bundesweit etwa 550 Seeadler-Brutpaare in Brandenburg leben, habe man nicht nur am Müggelsee, sondern auch an der Havel und am Tegeler See Chancen, die scheuen Riesenvögel zu entdecken. Erstaunt hat Altenkamp eine Beobachtung vom vergangenen Jahr: Zwei Mal sei ein Seeadler entlang der Bahntrasse durch die Wuhlheide geflogen. „Seeadler suchen an Bahnstrecken nach Aas“, sagt er. „Offensichtlich nutzen sie die Trasse bis fast ins Stadtzentrum.“ Nur fällt mancher Adler, der sich über ein überfahrenes Tier hermacht, selbst dem nächsten Zug zum Opfer. „Deshalb gibt es mit der Bahn eine Vereinbarung, dass Lokführer überfahrenes Wild sofort melden müssen, damit es beseitigt wird.“ Das sei auch in ihrem Interesse: Ein Adler könne die Frontscheibe eines Zuges durchschlagen. Aktuell hoffen die Adlerfreunde auf neue Erkenntnisse zum Aktionsradius der Tiere, denn vor einigen Tagen wurde ein mit GPS-Sender versehener Seeadler aus der Tierklinik Düppel entlassen.

Der nächste Promi auf der Berliner Wildtierliste ist Alex, der Waschbär aus der Garage des Park-Inn-Hotels. Er werde nur sporadisch gesehen, aber sei noch da, sagt Derk Ehlert, der Wildtierbeauftragte des Senats. Und: Er habe Nachbarn in allen Himmelsrichtungen. Ein Waschbärenpaar sei sogar in Bundestagsnähe gesichtet worden; mit Gründung einer Familie dürfe gerechnet werden. Wo genau die dank reichlich vorhandener Abfalleimer gut genährten Citybären leben, verrät Ehlert nicht. Nur so viel: Eher in Gebäuden als draußen. 150 bis 200 Paare schätzt er für Berlin, bisher überwiegend in den Außenbezirken. „Aber die Innenstadt gewinnt an Attraktivität.“

Das gilt auch für die Buntspechte. Die profitieren vom Konjunkturpaket, indem sie Löcher in die Styropordämmungen von Häusern hacken. Vermutlich, weil das Material in Klang und Konsistenz morschen Bäumen ähnelt. Und wenn in der Fassade schon nicht der erhoffte Wurm drin ist, tut sich allemal eine Brutgelegenheit auf. Und falls der Specht nicht selbst einzieht, findet sich ein Meisen- oder Sperlingspaar. Noch ergibt das Stichwort „Problemspechte“ bei Google nur zehn Treffer, aber das wird sich ändern. Ein Berliner Malermeister hat gerade die erste Mauerspecht-Hotline eingerichtet.

Eher auf Menschen als auf Styropor hatten es im vergangenen Jahr die Krähen abgesehen, die nahe dem Deutschen Theater brüteten. Das war im Mai. Ehlert rechnet auch in diesem Jahr mit Hackangriffen auf Passanten, wenn die Krähen erst Junge haben, die – noch beschränkt flugfähig – im Park herumhüpfen. An mindestens einer der früheren Attacken sei ein von Hand aufgezogenes Exemplar beteiligt gewesen. Das könnte Menschen für feindlich gesonnene Artgenossen gehalten haben.

Falls die Krähen nicht zu sehen sind, könnte es auch sein, dass sie sich gerade den Uhu vorknöpfen, der zuletzt Anfang März auf dem Dach des Märkischen Museums gesehen wurde. Es war ein Männchen – und auf Brautschau, wie die Balzrufe verrieten. Das mit der Braut könnte mangels Artgenossen in der Stadt schwierig werden, aber Ehlert schließt nicht aus, dass der Uhu noch in Berlin ist. Nachts jagt er, tags ruht er auf irgendwelchen Säulen oder wenig exponierten Dachkanten. „Hamburg hat auch einen Uhu“, sagt Ehlert, der findet, dass ein einzelnes Exemplar doch gut zur Single- Hauptstadt Berlin passe.

Der Uhu auf dem Märkischen Museum gesehen wurde.
Der Uhu auf dem Märkischen Museum gesehen wurde.

© ddp

Die sonstige Vogelwelt wurde in den vergangenen Tagen durch die Rückkehr von Nachtigall und Kuckuck ergänzt. Schlechter sieht es bei den äußerst seltenen Eisvögeln aus, die nach Auskunft von Ehlert nicht in den Süden geflogen, sondern am Rand der zugefrorenen Gewässer gestorben sind. Aber die Bestände erholen sich schnell wieder – dank „Schachtelbrut“. Dabei beginnt das Weibchen schon wieder zu brüten, während der Gatte noch die Jungen füttert.

Neue Einwanderer sind momentan nicht in Sicht, dafür machen alte Bekannte wohl bald wieder Ärger. Für Mai und Juni prophezeit Marc Franusch von der Forstverwaltung wieder Scharen von Eichenprozessionsspinnern. Die Haare der Raupen lösen bei empfindlichen Menschen allergische Reaktionen aus.

Die Miniermotten dürften den Winter ebenfalls kommod unterm Schnee verbracht haben und nun in die neue Kastanienfraßsaison starten. Unterm Schnee lagen auch ungewöhnliche Mengen Eicheln, die für die Wildschweine mit ihren Rüsseln jederzeit mühelos erreichbar waren. Im gerade beendeten Jagdjahr sind zwar nur 1500 Tiere in Berlin erlegt worden (darunter einige von Autofahrern), kaum halb so viele wie im Jahr zuvor. Das spricht für geschrumpfte Bestände. Aber die Überlebenden sind bestens genährt. Und wenn die Eicheln zur Neige gehen, werden in den Gärten neue Leckereien nachgewachsen sein.

Über eine Kamera von Nabu und Telekom lassen sich die brütenden Turmfalken in der Frohnauer Johanneskirche beobachten: www.nabu-berlin.de, dann „Zu Besuch bei Familie Turmfalke“ anklicken.

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