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Berlin: Tierpflege: Affenliebe: Gorilla-Baby bei Menschen-Papa

"Pampers sind die besten", sagt Reimon Opitz und legt dabei seinen satt vor sich hin mauzenden Pflegling auf dem Wohnzimmersofa trocken. Was nicht ganz einfach ist, denn der Winzling, der eben noch schmatzend sein Fläschchen aussüffelte, mag es nicht, untenrum eingepackt zu werden.

"Pampers sind die besten", sagt Reimon Opitz und legt dabei seinen satt vor sich hin mauzenden Pflegling auf dem Wohnzimmersofa trocken. Was nicht ganz einfach ist, denn der Winzling, der eben noch schmatzend sein Fläschchen aussüffelte, mag es nicht, untenrum eingepackt zu werden. Immer wieder versucht das kleine Geschöpf, die Windel wegzuschieben. Aber schließlich ist es nicht das erste Affenbaby, das der Cheftierpfleger des Zoo-Affenhauses daheim aufzieht - geübt schließt Opitz die Pampers.

Mit hörbarem Rülpser hat das Gorilla-Baby vorher ein Bäuerchen gemacht. Jetzt genießt es das Schmuseprogramm seines "Ziehvaters" - immer wieder reckt es ihm instinktiv mit noch blinden Augen das Mäulchen entgegen, das noch der Milchbart von der eben getrunkenen Flasche ziert. "Jetzt will es betuttelt werden", erklärt der 52-Jährige und drückt liebevoll seine Nase an das Stumpfnäschen in seinem Arm. Dann legt er das Bündel behutsam wieder in eine Einkaufskiste auf dem Sessel. Ein Heizkissen und Handtücher geben dem Gorilla-Baby eine Art warmes Fellgefühl - "lüften fällt im Wohnzimmer aus", sagt Reimon Opitz, das Junge darf keinen Zug bekommen.

Mit seiner Frau Marion wohnt er seit Anfang der 80er Jahre fast hautnah bei den ihm anvertrauten Tieren - die Dienstwohnung des Cheftierpflegers befindet sich über dem Besuchereingang des Affenhauses. Vom ungewöhnlich mehreckig geschnittenen Wohnraum aus fällt der Blick direkt ins dichte Grün eines hohen Kastanienbaumes. Wenn im Herbst die Blätter fallen, kann man von den bequemen Ledersesseln aus bis zu den Giraffen sehen. Die Idylle trügt - das Ehepaar kann fast nie so gemütlich beieinander sitzen.

Wie viele Affen und andere Tiere er mit seiner Frau schon daheim aufgezogen hat, zählt Opitz nicht mehr. Mit dem jüngsten, gerade mal drei Wochen altem Pflegling, aber hatte er wirklich nicht gerechnet. Nach fünf Jahren sollte es endlich mal wieder in Urlaub und dazu auf die Lieblingsinsel Fuerteventura gehen. Wäre es auch, wenn "Effi" nicht ihr Junges vernachlässigt hätte. Am 25. Juli wurde es geboren, "und anfangs ging alles gut", erzählt der gebürtige Zehlendorfer, der mit 17 nach einem Jahr bei der Polizei in den Zoo wechselte und hier von der Pike auf alles Tierische kennen lernte. "Die achtjährige Effi nahm ihr Baby an, und am zweiten Tag ist ihr meterweit die Milch geschossen". Das Gorilla-Weibchen - in Dänemark mit der Hand aufgezogen - hatte keine Erfahrung, und ihr Nachwuchs entpuppte sich als kleine Säuferin. "So gierig und so viel habe ich noch kein Gorilla-Baby trinken sehen", sagt Opitz und zeigt das pralle Bäuchlein seines noch namenlosen Schützlings. Vielleicht, weil es sie schmerzte, ließ Effi ihren Nachwuchs nicht mehr trinken, schleifte das Kleine teilnahmslos mit sich herum und gab es widerspruchslos her, als Opitz nach einer Woche entschied: Jetzt ist genug. Da war es fast zu spät, und auch das rechte Ärmchen des Kleinen gebrochen.

Den Verband muss das neueste "Kind" im Hause Opitz nur noch eine Woche tragen, hat der Kinderarzt aus dem Virchow-Klinikum seiner Patientin diagnostiziert. "200 Gramm hat sie sogar schon bei uns zugenommen", ist Affen-"Vater" Opitz stolz, der selbst keine Kinder hat. Statt Spaziergängen auf kanarischen Dünen absolviert das Ehepaar nun ein im wahrsten Sinne des Wortes tierisches Pflegeprogramm - Monika Opitz unbezahlt und freiwillig. Alle zwei Stunden muss der kleine Gorilla gefüttert und gepampert werden, nicht zu vergessen die Streicheleinheiten - und das Tag und Nacht. 30 bis 50 Milliliter Babynahrung Milomil verdrückt das Affenbaby schon pro Flasche, "einen Wecker brauchen wir nicht, die meldet sich", erzählt Reimon Opitz, "erst jammert sie leise, dann schreit sie wie verrückt."

Seine andere Pflege-"Tochter" ist mit 16 Monaten fast aus dem Gröbsten raus - "nach der Flasche um 1 Uhr schläft Sangha jetzt durch", sagt Opitz. Tagsüber treibt das kräftige Gorilla-Mädchen bereits Schabernack mit den Tierpflegern im Affenhaus, bevor es abends "daheim" über Tisch und Schränke tobt und Fangen spielt. Erst wenn "Sanghas" Artgenossin so weit ist, kann Familie Opitz einen Gedanken an die Reise nach Fuerteventura verschwenden - aber nicht vor 2003, weiß der Herr der Affen. "Aber so ist das eben, wenn man Kinder hat", sagt Opitz und träumt von "vielleicht mal zwei Tagen Ostsee" - natürlich mit äffischem Anhang.

Heidemarie Mazuhn

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