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Zoodirektor Blaszkiewitz

© dpa

Tierwelt: Auf Großwildjagd

Es sind schwierige Zeiten für den Zoo- und Tierparkchef Bernhard Blaszkiewitz. Fast täglich erheben Tierschützer und Mitarbeiter neue Vorwürfe.

Ein Foto soll gemacht werden, und Fotos macht der Zoodirektor am liebsten bei den Elefanten. Bernhard Blaszkiewitz kommt also ins Elefantenhaus, er nickt kurz und geht zu den Tierpflegern. Kurzer Plausch, Händeschütteln, „dann wollen wir mal“, sagt Blaszkiewitz, er zieht das Jackett aus, klettert durch den Graben und begrüßt seine Freunde. Pang Pha, Iyoti, Carla und Shaina Pali. Und wie er ihnen nacheinander mit der rechten Hand die Rüsselspitze tätschelt, erinnert das an einen Basketballstar, der nach einem Sieg die Fans abklatscht.

Es ist keine schöne Zeit für Blaszkiewitz. In diesen Tagen, in denen der Zoodirektor abwechselnd Katzenbabymörder, Betriebsräte meuchelnder Tyrann oder ewig gestriger Fachidiot genannt wird, scheinen die Elefanten seine treuesten Freunde zu sein. Die grüne Politikerin Claudia Hämmerling hat ihn als Tierquäler angezeigt und behauptet, er verhökere gezüchtete Jungtiere an dubiose Händler. Jetzt hat die Tierschutzorganisation Peta nachgelegt und von der Staatsanwaltschaft gefordert, sämtliche Todesfälle im Tierpark in den vergangenen fünf Jahren zu überprüfen. Im Tierpark Friedrichsfelde, auch er untersteht Blaszkiewitz, melden sich plötzlich Angestellte, die durch seine Amtsführung Traumata erlitten haben wollen. Schwule und Lesben halten ihn für reaktionär, weil er die Zootiere nächtens nicht mehr den Rhythmen der Gay Night aussetzen mag. Aus etwas anderen Gründen bezeichnet ihn Berlins oberster Tourismuswerber Hanns Peter Nerger als nur noch bedingt hauptstadtkompatibel, „gerade erst haben mich Kollegen in Wien gefragt: ,Was ist denn da los bei euch? Und warum macht ihr nicht mehr aus eurem Eisbär?’“ Denn der Zoodirektor, ausgerechnet der Zoodirektor, ist kein Knut-Fan.

Das Elefantenhaus, wo Blaszkiewitz fotografiert werden soll, steht gleich hinter dem Eingang vom Zoo. Rechts hinterm Löwentor, das ist die Kasse gegenüber dem Bahnhof Zoologischer Garten. Aber er liegt nicht auf dem direkten Weg zum Eisbärengehege, was den Publikumsverkehr bei den Elefanten ein wenig eingeschränkt hat. Es gab einmal ein Schild „Zum Knut-Gehege“. Zu viel Zirkus, fand der Direktor, und hat es abmontieren lassen. Für den Zoologen Blaszkiewitz ist Knut nur eines von 14 000 Tieren im artenreichsten Zoo der Welt, zugegeben das bekannteste. Für den Tourismuswerber ist der Eisbär die „beste Werbekampagne“. Nerger: „Ich verstehe einfach nicht, warum Herr Blaszkiewitz Knut nicht als Krücke nutzt, um noch mehr Menschen auf der ganzen Welt für den Zoo zu begeistern.“

Wer jetzt zu Knut will, folgt einfach allen anderen Besuchern. Den Lehrern und Kindergärtnerinnen samt Anhang, den Mamas mit ihren Kinderwagen, den alten Damen … Vorbei an den Alpakas und den Geiern, dem Panzernashorn, links stehen verwaist die Warzenschweine, rechts die südamerikanischen Weißbartpekaris, die aussehen wie Frischlinge – alles uninteressant. Nach 273 Schritten und 133 Sekunden ist das Bärengehege erreicht, wo Knut getrennt von seinen Kollegen lebt. Das heißt: Ganz so sicher ist das nicht. Man kann ihn nicht sehen, nicht hören, die kleinen und großen Eisbärenfans, sie rufen: „Knuuuuuut.“

Bernhard Blaszkiewitz hat mal gesagt, „der Rummel um das weiße Wollknäuel“ sei ihm ganz schön auf die Nerven gegangen. Ja, der Zoo sei durch Knut noch bekannter und noch attraktiver geworden, aber der Zoo sei schließlich nicht nur Knut, auch wenn das die halbe Welt mittlerweile so sehen mag. Da ist das großartige Flusspferdhaus mit seiner 1200 Quadratmeter großen Glaskuppel. Die Gorillas bekommen eine neue Freianlage. Noch immer ist das Giraffenhaus gut besucht, auch wenn es ganz hinten liegt, am anderen Ende des Zoos. Blaszkiewitz’ persönlicher Favorit ist das Spitzmaulnashorn Zawadi, es ist ein paar Tage nach Knut geboren worden.

Wenn der Direktor Sorgen hat, geht er zu den Elefanten

Der Zoodirektor mag Dickhäuter. Bei den Nashörnern hat er in den Siebzigern im Zoo sein Volontariat gemacht. Wenn er Sorgen hat, geht er zu den Elefanten. Blaszkiewitz hat ein Standardwerk geschrieben, es behandelt die Geschichte der Elefanten in Berlin seit 1856. Im Tierpark in Friedrichsfelde, dem er zwischen 1991 und 2007 als Direktor vorstand – und in Personalunion mit seinem Zoo-Job immer noch vorsteht –, im Tierpark also gibt es ein eigenes Dickhäuterhaus, mit Elefanten, Nashörnern und Seekühen. Der Tierpark ist der größte Landschaftstiergarten Europa, ganz anders aufgebaut als der Zoo. Hier kann man auch mal fünf Minuten spazieren, ohne ein einziges Tier zu sehen. Blaszkiewitz hat die Belegschaft in den Neunzigern dramatisch zurückgefahren, und wahrscheinlich ist es dieser Sanierungsanstrengung zu verdanken, dass es den Tierpark noch gibt. Welche Stadt hat schon zwei Zoologische Gärten? Doch Sanierer machen sich bei der Belegschaft selten Freunde. Dazu kommt, dass der Tierpark als teilungsbedingte Neugründung nach dem Krieg für die Befindlichkeit vieler Ost-Berliner eine besondere Rolle spielt. Blaszkiewitz kann inzwischen fast täglich in der Zeitung nachlesen, was viele Mitarbeiter in Friedrichsfelde von ihm halten, nämlich gar nichts.

Die „Taz“ hat ihn mit einer Seekuh verglichen, „entspannt, friedlich, in sich ruhend“. Blaszkiewitz ist 1,90 Meter groß und 130 Kilo schwer, auf Fotos kann man ihn sich gut als Tiermörder vorstellen. Erst in natura offenbaren sich die kindlichen Gesichtszüge, die Koteletten so breit, wie sie der späte Elvis trug. Old School. Der Zoodirektor schwenkt sein graues Haar und platziert sich selbstbewusst zwischen den Elefanten zum Foto. Sollen seine Gegner doch behaupten, er sei überfordert und nicht offen für intelligente Marketingkonzepte. Das prallt an ihm ab wie am Panzer eines Nashorns. Immerhin ist Blaszkiewitz, ganz hauptstadtkompatibel, ein Freund des „Great Berlin Wheel“, des Riesenrades, das auf dem alten Wirtschaftshof des Zoos gebaut wird. „Wie kann den jemand ernsthaft etwas gegen die Belebung der Stadt haben?“, fragt der Zoodirektor und erzählt von den vielen Berlin-Besuchern, die demnächst ihre Runden über dem Zoo drehen, „dann sehen sie unter sich die Nashörner, und wer könnte schon so hartherzig sein, danach nicht in den Zoo zu gehen?“ Zoo und Riesenrad würden sich bestens ergänzen, findet der Zoodirektor, und Pang Pha legt den Rüssel über seine Schulter. „Na, na, na“, sagt Blaszkiewitz, „nicht so frech“, und schiebt den Rüssel zurück.

Der Rummel um Eisbär Knut nervt den Zoochef manchmal

Knut liegt gerade im Braunbärengehege und erträgt das alltägliche Programm eines Superstars. „Hey, Knuuuuut“, rufen die Kinder aus der Kitagruppe. Die Oma sagt zum Enkel, „vergiss bloß nicht, den Knut von der Mama zu grüßen“. Ein Mann ruft: „Sag mal Knut, willste dich nicht mal bewegen, sag mal?!“ Knut sagt gar nichts, er liegt, scheinbar gelangweilt, in der Sonne, und als er irgendwann mal den Kopf hebt, ist der Mann so stolz, dass er gar keine Ruhe mehr gibt. Der Trubel gehört vorm Braunbärgehege zum Alltag, auch wenn Knut schon seit ein paar Monaten nicht mehr das niedliche weiße Wollknäuel ist, sondern ein schmutziger, plumper Eisbär, der sich kaum noch unterscheidet von seinen im Nachbargehege untergebrachten Artgenossen.

Knut, der Verkaufsschlager. Ein paar Meter vor dem Gehege steht ein Container, drinnen sitzt eine Frau und verkauft Knut-Devotionalien. Kalender, DVDs und Puppen. Zwölf Euro kostet so eine weiße Knut-Puppe. Die Frau in dem Container sagt, die weißen Knut-Puppen würden sich ganz hervorragend verkaufen, „sind ja auch von Steiff, die kriegen Sie nur hier im Zoo“. Nein, sie dürfe leider nicht sagen, wie viele sie davon am Tag verkaufe, „gehen Sie mal nach vorn in die Verwaltung und fragen dort nach, wir haben ja jetzt einen Pressesprecher“.

Der Pressesprecher, der den Ruf des Zoodirektors seit ein paar Wochen verbessern soll, hat aber anderes um die Ohren als Verkaufszahlen von Eisbärenpuppen. Er heißt Detlef Untermann, war zu Zeiten des Bankenskandals Sprecher von Klaus-Rüdiger Landowsky. Auch diese Vorgeschichte war dem Ruf des Zoodirektors nicht eben zuträglich. Vielleicht hat sich Blaszkiewitz seinen Sprecher nicht ausgesucht, aber die Wahl passt zum allgemeinen Eindruck: Was in diesen Tagen schief gehen kann, geht schief.

Blaszkiewitz ist Biologe. Und Berliner, man hört es deutlich, und vielleicht tun sich wegen seiner schnoddrigen Mundart so viele schwer, ihn als wissenschaftliche Koryphäe zu sehen. Gehört einer, der von bürgerlichem „Angaschemang“ spricht und Katzen das Genick bricht, nicht eher auf den Bauernhof? Vor einer Woche hatte ihn das Abgeordnetenhaus zu einer Anhörung geladen, und Blaszkiewitz machte daraus ein Happening, er hat ein bisschen Theater gespielt und seine Gegenspieler ins Lächerliche gezogen. Angesprochen auf das angebliche Verschwinden gezüchteter Tiere, antwortete der Zoodirektor: „Kein einziges Tier, außer vielleicht einer Ameise und einer Honigbiene, ist verschwunden.“ Und dann formte er seine Hände zu Brillengläsern, er hielt sie vor seine Augen, und die verehrten Abgeordneten durften sich ihren Teil selbst denken. „Ein verheerender Auftritt“, fand der Tourismuswerber Nerger.

Vorwürfe? Der Tierpfleger winkt ab. "Blödinn."

Rüdiger Pankow hatte seinen Spaß. „So ein Blödsinn“, sagt Pankow, meint die kritischen Fragen und dass ja jetzt wohl alles entkräftet sei. Er ist Tierpfleger, der Chef im Elefantenrevier und hat vor 30 Jahren im Zoo seine Lehre gemacht. Über den Direktor kann er nur das Beste sagen, was vielleicht auch daran liegt, dass der Direktor vor 30 Jahren als Student im Zoo gearbeitet hat. Gemeinsam haben sie bei den Nashörnern „die Scheiße weggeschippt“. Seitdem, sagt Pankow, sei der Draht nie abgerissen. Man duzt und schätzt sich, und Rüdiger Pankow sagt, der Direktor sei schwer in Ordnung. „Jeden Tag fährt er mit dem Rad durch den Zoo, drei- oder viermal in der Woche kommt er hier vorbei, manchmal auch abends auf ein Getränk.“ Und die Vorwürfe? Pankow lacht nicht mal. „Vergessen Sie es!“

Die Fotos sind gemacht, sogar mit Blitzlicht, obwohl das laut Zoo-Ordnung eigentlich verboten ist. Hinter Blaszkiewitz steht die Elefantendame Pang Pha, es pressiert, und wer schon einmal einem Elefanten beim Pinkeln zugesehen hat, weiß, dass es sich dabei um keine Kleinigkeit handelt. Der Zoochef verabschiedet sich, er geht zurück in sein Büro, mitten durch die Lache, die eben noch nicht da war. Flüssigkeit schwappt auf die Schuhe, und wenn schon.

Es gibt Schlimmeres in diesen Tagen.

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