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Berlin: Tod eines Babys – Unfall oder Gewalttat?

Prozess gegen einen 22-jährigen Texaner, der den Kopf seines sieben Wochen alten Sohnes zerdrückt haben soll

Jarri-Jarrell wurde nur sieben Wochen alt. Sein Vater hatte den Ärzten im Krankenhaus Neukölln gesagt, er sei mit seinem Kind auf dem Arm gestürzt. Die Staatsanwaltschaft aber geht davon aus, dass der 22-jährige Richard E. sein zweites Kind schwer misshandelte. Mit seinen Händen soll er den Kopf des Säuglings zusammengedrückt, dem Baby außerdem den Mund zugehalten haben. Seit knapp zehn Monaten sitzt der Vater in Untersuchungshaft. Gestern wurde der Prozess wegen Totschlags vor einer Moabiter Strafkammer eröffnet.

Schweigend saß der Angeklagte mit kurzen Haaren, Kinnbart und kleiner Brille im Gerichtssaal. An seiner Seite eine Dolmetscherin. Richard E. war als US-Soldat nach Deutschland gekommen. Nach seiner Entlassung zog es den Texaner von Bayern nach Berlin zu seiner Freundin Jamiliy. Als die 18 Jahre alt war, wurde die jetzt zweijährige Tochter geboren, Ende August letzten Jahres dann Jarri-Jarrell. „Der Vater war sehr stolz auf seinen Sohn und hat sich liebevoll um ihn gekümmert“, sagte Verteidiger Hanns-Ekkehard Plöger. „Dann ist es zu einem Unglücksfall gekommen.“ Den habe Richard E. zunächst als „nicht so ernst“ eingeschätzt.

Am frühen Morgen des 13. Oktober 2002 alarmierte die Mutter des Jungen Hilfe. Jamiliy E. war gerade aus dem Kabarett nach Hause in die Wohnung im Töpchiner Weg in Lichtenrade gekommen und sah, dass ihr Baby mit geschwollenem Gesicht im Bettchen lag, kaum noch Luft bekam. Der Vater soll ihr erklärt haben, dass er bereits eine Nacht zuvor über einen Rucksack gestolpert und mit dem Säugling auf dem Arm gestürzt sei, dass es dabei möglicherweise zu Verletzungen gekommen sei. Die Ärzte konnten den kleinen Jarri-Jarrell nicht retten: Er starb zwei Tage nach der mutmaßlichen Tat.

Die Obduktion ergab, dass der Junge „an den Folgen stumpfer Gewalteinwirkung“ starb. Mehrere Schädelbrüche wurden festgestellt. Außerdem fanden die Rechtsmediziner Spuren älterer Verletzungen. Dem Vater wird im Prozess auch vorgeworfen, seinem kleinen Sohn bereits wenige Tage nach der Geburt zwölf Rippen gebrochen zu haben. Vor allem mit Hilfe der Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung will die Staatsanwaltschaft den Vater überführen. „Möglicherweise war er mit den beiden kleinen Kindern überfordert“, sagte die Anklägerin. Die Familie aber schweigt. Die heute 20-jährige Mutter verweigerte vor Gericht die Aussage, ihre Mutter, die ihre Enkelkinder oft sah, ebenfalls. Eine Nachbarin sagte, Richard E. habe seinen Sohn immer „sehr stolz im Körbchen getragen“. Jamiliy E. hat bereits deutlich gezeigt, dass sie von der Unschuld des Texaners überzeugt ist: Im Februar hat sie Richard E. in der Haft geheiratet.

Nur eines bestätigte die selbstbewusst wirkende Frau im Prozess: „Man hat mir meine Tochter weggenommen.“ Selina lebe noch immer bei einer Pflegefamilie. Das Jugendamt habe ihr keinen Grund genannt. Die junge Mutter vermutet, dass sie unter Druck gesetzt werden sollte, „damit ich aussage“.

Kerstin Gehrke

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