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Berlin: Tod eines Freundes

Fünf Stunden kämpften die Ärzte um das Leben Günter Pfitzmanns. Für sie war er mehr als ein Patient. Seine Familie war bei ihm. Sein Sohn, ein Chirurg, stand mit am OP-Tisch.

Am Donnerstagabend um 22.30 Uhr begann der letzte Kampf um das Herz von Günter Pfitzmann. Fünf Stunden sollte er dauern, fünf Stunden, die das Leben des 79-jährigen Berliner Volksschauspielers vollendeten und seine Familie wie seine Freunde im Deutschen Herzzentrum in ein Wechselbad der Gefühle stürzten. Denn der Kampf schien zunächst nicht aussichtslos zu sein. Pfitzmann litt unter heftigen Schmerzen, als ihn seine Ehefrau Lilo gemeinsam mit seinen beiden Söhnen ins Weddinger Herzzentrum begleitete. Den Ärzten war sofort klar: ein Herzinfarkt, Pfitzmanns dritter. Sofort schlossen sie ihn an die Intensivgeräte an, behandelten ihn mit starken Schmerzmitteln. Trotzdem sei der Patient sehr „gefasst“ gewesen, sagt der Chefarzt des Herzzentrums, Roland Hetzer. Er erklärte dem Schauspieler, was man mit ihm vorhabe: eine Katheteruntersuchung. Dafür wird – unter Narkose – ein dünner, biegsamer Plastikschlauch am Oberschenkel in die Venen eingeführt und bis ins Herz vorgeschoben. Auf diese Weise können die Ärzte verstopfte Blutgefässe aufspüren und mit Hilfe eines kleinen Ballons auch öffnen.

Alles nichts neues für „Pfitze“. Denn auch schon im Jahr 2000 musste er diese Behandlung über sich ergehen lassen. Und wie vor drei Jahren so war auch diesmal sein Sohn Robert, ein Chirurg, mit am OP-Tisch dabei. Und viele der Ärzte, die Günter Pfitzmann in dieser Nacht behandelten, waren ihm freundschaftlich verbunden, so wie er selbst dem Hause. Der Schauspieler hat sich zum Beispiel sehr für ein Gästehaus stark gemacht, in dem die Eltern in der Nähe ihrer herzkranker Kinder übernachten können. Zu seinem 70. Geburtstag 1994 wünschte er sich statt Blumen eine Spende für diese Kinder.

Seit 1986 wusste Günter Pfitzmann um das hohe Risiko, dass er selbst eines Tages an einem Herzinfarkt sterben würde. Vier Bypässe mussten ihm die Ärzte zu jener Zeit ans Herz legen, um seine verstopften Blutgefäße zu ersetzen. Eine Lösung, nicht für die Ewigkeit gemacht. Denn auch die neuen Adern wucherten mit Fett und Kalk wieder zu. „Das ist völlig normal bei älteren Patienten“, sagt Hetzer.

Die Dramatik dieser frühen Morgenstunden am Freitag aber war nicht normal. Der Chefkardiologe des Herzzentrums, Eckart Fleck leitete den Eingriff, auch Hetzer war die ganze Zeit dabei. Und tatsächlich gelang den Ärzten der schwierige Eingriff: Sie bekamen die drei verstopften Bypässe frei. Zur Unterstützung des kranken Herzens pflanzten die Chirurgen ihrem Patienten noch eine künstliche Pumpe ein. Alles sah nach einem erneuten glänzenden Sieg der Medizin aus. „Der Zustand des Patienten besserte sich“, sagt Hetzer. Doch dann habe ein „Teufelskreis“ alle Bemühungen der Ärzte zunichte gemacht. „Wir hatten keine Chance mehr.“ Um 3.15 Uhr war es vorbei. Die Blutversorgung eines Teils des Herzens brach zusammen, der Muskel erschlaffte, leistete immer weniger und schnitt sich dadurch selbst endgültig von der Blutversorgung ab. Die Ärzte nennen das „nicht beherrschbares Herzversagen“. „Nicht beherrschbar“, so etwas akzeptieren Mediziner nur sehr ungern. „Jeder Tod ist für uns eine Niederlage“, sagt Roland Hetzer. Doch Pfitzmanns Tod ist mehr für den Chefarzt, als nur ein medizinischer Verlust. Er hat einen Freund verloren.

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