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Berlin: Tod im Flugzeug: Herzinfarktopfer war offenbar selbst Arzt

42-jähriger Familienvater starb beim Flug nach Berlin. Viele Airlines haben lebensrettende Defibrillatoren an Bord

Von Ingo Bach und Annette Kögel

Nach dem Tod eines Passagiers der Turkish Airlines im Anflug auf Tegel wird über die medizinische Versorgung an Bord von Flugzeugen diskutiert. Die Maschine, die am Sonntag von Istanbul nach Berlin unterwegs war, hatte – im Gegensatz zu Flugzeugen anderer Gesellschaften – keinen Defibrillator an Bord. Damit kann nach einem Herzinfarkt das lebensgefährliche Kammerflimmern bekämpft, der Herzschlag normalisiert werden. „Wir bedauern das Unglück zutiefst. Unsere Crew hat alles getan, um das Leben des Mannes zu retten“, sagte Recep Güvelioglu, Sprecher der Turkish Airlines in Istanbul. Die Leiche des 42-jährigen Tarek D. befand sich gestern noch im Humboldt Krankenhaus in Berlin. Sie wurde beschlagnahmt und soll von Gerichtsmedizinern obduziert werden. Nach Auskunft der Fluggesellschaft soll Tarek D. selbst Kardiologe gewesen sein. Mit im Flugzeug waren auch seine Frau und sein neun Monate altes Kind.

Wie in einem Teil der gestrigen Ausgabe berichtet, hatte sich der Mann im letzten Abschnitt des Fluges TK 1723 wegen seiner Beschwerden an das Personal gewandt. Eine an Bord anwesende Ärztin habe ihn untersucht, sagte Güvelioglu. „Sein Blutdruck und Gesundheitszustand waren normal.“ Trotzdem habe ihm der Pilot angeboten, früher zu landen. „Dies lehnte der Passagier aber ab.“ Dies bestätigte auch ein Leser, der an Bord war. Auch eine andere medizinisch versierte Frau kümmerte sich um den im Gang liegenden Mann. Die Maschine flog schneller und landete eine Stunde früher als geplant in Tegel, der Pilot hatte nach Auskunft der Turkish Airlines noch in der Luft die Ambulanz angefragt. Die sofortige Reanimation blieb erfolglos. Die Turkish Airlines habe an Bord vieler Maschinen Defibrillatoren, „wir haben weitere bestellt, aber noch nicht geliefert bekommen“, sagte der Sprecher in Istanbul. Die Lufthansa rüstete bereits alle Langstrecken-Maschinen mit den Geräten aus. Air-Berlin hat sogar bei allen 45 Maschinen der Flotte Defibrillatoren griffbereit. „Es gibt mindestens einmal im Jahr eine Sonderschulung für die Crew“, sagte Pressereferentin Angelika Schwaff. Das gilt auch bei der Lufthansa.

Darüber hinaus hofft man auf die Hilfe eines Arztes. Nach Lufthansa-Erfahrungen befindet sich in 80 Prozent der Fälle ein Mediziner an Bord, weshalb man neben den normalen Erste-Hilfe-Koffern auch so genannte „Doctors Kits“ mitführt, die zum Beispiel ein Stethoskop, Spritzen, Infusionsgeräte und chirurgisches Besteck enthalten. Auch eine so genannte Ausweichlandung bei einem medizinischen Notfall komme vor, wenn auch selten, sagt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty. Rund dreißig Mal pro Jahr geht eine Lufthansa-Maschine außerplanmäßig zu Boden, von insgesamt 450 000 Flügen.

Immer wieder werden die Besatzungen von Airlines auch mit dem Tod an Bord konfrontiert. Von den rund 2500 Menschen, die jährlich weltweit während eines Fluges sterben, sind Dreiviertel Opfer eines Herz-Kreislauf-Versagens. Auch bei der Lufthansa stirbt durchschnittlich einmal im Monat ein Passagier an Bord – „bei 40 Millionen Fluggästen im Jahr“, sagt Firmen-Sprecher Lamberty. Bei so einer hohen Zahl sei die statistische Wahrscheinlichkeit groß, dass auch mal Menschen an Bord seien, die versterben, sagt Helmut Landgraf, Flugmediziner am Vivantes-Klinikum am Friedrichshain. Aber natürlich kann das Fliegen auch Stress für den Körper sein. Durch den niedrigeren Kabineninnendruck wird die Sauerstoffversorgung der Körperzellen erschwert. Das Herz schlägt schneller, für manche Menschen ist schon dies eine Belastung. Auch der Stress eines Fluges, vielleicht auch die latent vorhandene Flugangst, könnten das Herz belasten.

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