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Berlin: Tod im Villenviertel: 14 Jahre Haft

Oliver A. tötete ein Ehepaar. Das Gericht sieht ihn nicht als Mörder, weil er betrunken und im Drogenrausch war

Die Familie der Getöteten konnte es nicht fassen. Einige verließen den Gerichtssaal, andere weinten. Der 33-jährige Oliver A., der in einem Einfamilienhaus in Weißensee ein Ehepaar niedergestochen hatte, wurde gestern zu 14 Jahren Haft verurteilt. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft sprach das Landgericht den Angeklagten nicht des Doppelmordes, sondern des zweifachen Totschlags schuldig. Die Richter ordneten zugleich an, dass er nach Verbüßung von achteinhalb Jahren Haft in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden soll.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatte auf lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung plädiert, die Verteidigung auf Totschlag. Oliver A. habe unter Alkohol und Drogen gestanden, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Er sei nicht des Mordes schuldig gesprochen worden, weil er „in seiner Steuerungsfähigkeit ganz erheblich eingeschränkt war, in Panik handelte, diese schrecklichen Impulse nicht mehr steuern konnte“.

Oliver A. hatte nach durchzechter Nacht am frühen Morgen des 10. August letzten Jahres eine 16-Jährige bis in ihr Elternhaus verfolgt. Aus Sicht des Gerichts stieg er „ohne Plan“ durch ein Fenster in das Haus im Bundenbacher Weg ein. Im Halbschlaf hörte die 42-jährige Mutter das Knarren der Diele und glaubte, dass ihre Tochter nach Hause gekommen sei. Als er von Bärbel R. entdeckt wurde, habe er plötzlich kapiert: „Ich bin im falschen Haus", sagte der Angeklagte. Die Frau schrie, wollte ihn möglicherweise mit Schlägen verjagen. Er nahm ein Küchenmesser und stach zu. Um fliehen zu können, tötete er wenig später im Schlafzimmer den Ehemann Günter R. Der 63-jährige ehemalige Bauunternehmer starb noch am Tatort, Bärbel R. drei Monate später.

Immer wieder wurde die Richterin unterbrochen. „Das kann doch nicht wahr sein“, sagte die Mutter der getöteten Frau. Da war die Richterin gerade dabei, über das Leben des Oliver A. zu sprechen, darüber, dass er nicht Fuß fassen konnte, dass er sich die Welt ein bisschen schöner getrunken habe und nüchtern wohl ein umgänglicher Mensch sei. Die rechtliche Bewertung des „so furchtbar sinnlosen Verbrechens“ sei schwierig gewesen, sagte die Richterin.

Der Ankläger war davon ausgegangen, dass Oliver A. von seiner Gefährlichkeit im berauschten Zustand wusste. Mit 20 hatte er im Vollrausch ältere Leute angegriffen. Mit 25 erschlug er im Vollrausch einen Zechkumpan und bekam dafür viereinhalb Jahre Haft. Nach drei Jahren im Maßregelvollzug und einer Therapie kam er auf Bewährung frei. Ärzte und Therapeuten hatten ihm bescheinigt, dass er geheilt sei. Wie er nach dieser Diagnose noch auf Warnsignale achten, diese spüren sollte, frage die Richterin in Richtung des Staatsanwalts. Der Familie sagte sie: „Wir sind uns im Klaren, dass das Urteil bei vielen auf Unverständnis stoßen wird.“

Kerstin Gehrke

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