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Berlin: Tod unter der Tram: Einziger Zeuge vergaß, Notbremse zu ziehen 44-jähriger Fahrgast arbeitet selbst als BVG-Busfahrer

Fahrerin der Unglücksbahn wird nächste Woche vernommen

Der einzige Zeuge, der den tödlichen Sturz vor die Straßenbahn gesehen hatte, vergaß offenbar vor Aufregung, die Notbremse zu ziehen. Und das, obwohl der 44-Jährige nach Informationen des Tagesspiegels selbst als Busfahrer der BVG-Tochter „Berlin Transport“ arbeitet – also ein Kollege der Unfallfahrerin der Straßenbahn ist. Ob der Tod des 54-Jährigen allerdings hätte verhindert werden können, wenn die Notbremse rechtzeitig gezogen worden wäre, ist unklar. Wie berichtet, war der Mann am Mittwochabend um 20.15 Uhr an einer Haltestelle zwischen die beiden Waggons einer Straßenbahn gefallen. Der 44-jährige Zeuge beobachtete den Sturz von seinem Sitzplatz im Heck des ersten Waggons aus und will sofort laut gerufen haben: „Nicht losfahren“. Die Fahrerin des modernen Niederflurfahrzeuges fuhr dennoch los. „Die Notbremse hätte sofort gewirkt“, sagte BVG-Sprecher Goebel gestern. Doch so wurde Bernhard D. von dem über 20 Tonnen schweren Waggon überrollt und knapp 300 Meter entlang der Warschauer Straße mitgeschleift. An einer Gleiskreuzung blieben die Leichenteile dann hängen. Gefunden wurden sie erst zweieinhalb Stunden später. In dieser Zeit rollten nach BVG-Angaben 24 weitere Fahrzeuge über den Toten.

Die aus Sicht der BVG wichtigste Frage blieb auch gestern ungeklärt: Wann hörte die Straßenbahnfahrerin den entscheidenden Satz „Sie haben gerade einen Menschen überfahren.“ Der Busfahrer gab in seiner nächtlichen Vernehmung durch die Kriminalpolizei zu Protokoll, dass er die Frau sofort informiert habe. Nach Angaben von BVG-Sprecher Göbel müsse geklärt werden, „ob die Frau noch an der Unfallhaltestelle stand, als der Zeuge mit ihr sprach“. Die Fahrerin soll erst in der kommenden Woche von der Polizei als Beschuldigte vernommen werden.

Der Zeuge gab zu Protokoll, dass der Mann in der Kopernikusstraße vom Gehweg aus „schwankend“ auf die Tram zugelaufen und dann zwischen den beiden Waggons gestürzt sei. Nach Angaben der BVG hörte die Fahrerin den entscheidenden Satz erst, als sie schon an der nächsten Haltestelle stand. Beide BVG-Angestellten stiegen an dieser Endhaltestelle aus und liefen einmal um den 60 Meter langen Zug – und fanden nichts. Sie informierte die BVG-Leitstelle und bekam die Anordnung „Wenn nichts ist, fahren Sie weiter“. Zu diesem Zeitpunkt riefen weder die BVG noch der Zeuge die Polizei. Danach fuhr die Frau ihren leeren Zug auf ein Abstellgleis. Dort kontrollierte sie erneut den Zug. Der Zeuge sah dies und sprach erneut mit seiner Kollegin über den Vorfall. Warum daraufhin keiner der beiden die kurze Strecke bis zur Haltestelle Kopernikusstraße ablief, blieb gestern unklar. „Das hätte man sicher machen können“, sagte ein Polizist. Die Frau trat dann mit ihrem Zug die Rückfahrt an, der Zeuge ging zu Fuß weiter.

Wie berichtet, ermittelt die Polizei wegen Unfallflucht gegen die Straßenbahnfahrerin. Der Zeuge müsse wegen der vergessenen Notbremse keine rechtlichen Konsequenzen befürchten. Da der Mann seiner Kollegin seine Personalien gegeben hatte, konnte die Polizei ihn nach Entdeckung der Leiche gegen 22.30 Uhr sofort befragen.

Die BVG verwahrte sich gegen Vorverurteilungen der Straßenbahnfahrerin. Der zeitliche Ablauf dieser Todesfahrt müsse genau geklärt werden. Nach Angaben von BVG-Sprecher Göbel dauert die Fahrt zwischen den Haltestellen Kopernikusstraße und S-Bahnhof Warschauer Straße 55 Sekunden. So lange habe auch der Zeuge benötigt, um von seinem Sitzplatz zur Fahrerin zu laufen.

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