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Berlin: Todesstiche im Hochhaus im Affekt

Fünfeinhalb Jahre Haft für zweifachen Totschlag

Die Richter sahen kein Mordmerkmal. Sie gingen von einer Affekttat und einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten aus. Der 20-jährige M., der seinen besten Freund und dessen Onkel in einem Hochhaus an der Leipziger Straße erstochen hat, wurde gestern des zweifachen Totschlags schuldig gesprochen. Das Gericht verhängte eine Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten zehn Jahre Haft – die höchstmögliche Jugendstrafe – gefordert.

Der Prozess gegen M. lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er soll sich umfassend geäußert haben. Sein Verteidiger sagte am Rande der Verhandlung, Auslöser seien Beleidigungen bis zu öffentlichen Verleumdungen seines Mandanten durch seinen besten Freund gewesen. Beschimpfungen wie „Nuttenprinz" seien gefallen, weil M. eine frühere Prostituierte angehimmelt habe. „Er hat zu der Frau aufgeblickt wie zu einer Göttin", sagte der Anwalt. Ein sexuelles Verhältnis habe es nicht gegeben.

M. war in der Nacht zum 21. April erst mit seinem gleichaltrigen Freund B. und dessen 23-jährigen Onkel durch ein paar Kneipen gezogen. In der Wohnung der späteren Opfer kam es nach Angaben des Verteidigers dann zu Hänseleien. Als M. von seinem besten Freund geschubst wurde und durch eine Türscheibe fiel, sei er „explodiert". Der Onkel habe noch eingegriffen. Doch M. stach immer wieder zu. Die Opfer verbluteten noch am Tatort.

Eine Blutspur und Fingerabdrücke führten auf die Spur von M., einen schmächtigen jungen Mann ohne Vorstrafen. Er kannte B. seit früher Kindheit. Zuvor habe es nie Gewalt zwischen beiden gegeben, hieß es. Nach seiner Festnahme berief er sich auf Notwehr. Wegen der Vielzahl der Stiche zweifelten die Ermittler daran. Die Staatsanwaltschaft ging von Mord aus. M. habe die Opfer bei „einer körperlichen Auseinandersetzung" verletzt, so die Anklage. Danach habe er erneut zugestochen und beide getötet, um einer Strafverfolgung zu entgehen.

Aus Sicht der Jugendstrafkammer aber war weder eine Verdeckungsabsicht noch ein anderes Mordmerkmal festzustellen. Die Richter folgten einem psychiatrischen Gutachter. Demnach soll M. zum Zeitpunkt der Stiche gar nicht in der Lage gewesen sein, über Folgen und Konsequenzen nachzudenken. Der Affekt habe im Bewusstsein dominiert. K.G.

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