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Berlin: Tödlicher Autounfall als Mordversuch angeklagt Staatsanwaltschaft will Fahrerflucht hart ahnden. Bislang erhalten Todesfahrer oft milde Urteile

Tragödien durch Raserei oder Alkohol am Steuer sind trauriger Alltag für die Justiz. Die Täter werden meist wegen Fahrlässigkeit angeklagt, die Prozesse enden oft mit Bewährungs- oder Geldstrafen, was für Angehörige der Opfer kaum nachvollziehbar ist.

Von Sandra Dassler

Tragödien durch Raserei oder Alkohol am Steuer sind trauriger Alltag für die Justiz. Die Täter werden meist wegen Fahrlässigkeit angeklagt, die Prozesse enden oft mit Bewährungs- oder Geldstrafen, was für Angehörige der Opfer kaum nachvollziehbar ist. Aber im Falle von Autofahrer Jens P. geht die Anklage ungewöhnliche Wege: P., der sich seit gestern für den Tod eines Fußgängers verantworten muss, könnte ein härteres Urteil erwarten. Ihm wird fahrlässige Tötung und gleichzeitig Mordversuch vorgeworfen.

Der 39-Jährige soll in der Nacht zum 5. Februar 2003 auf der Straße Alt-Friedrichsfelde zu schnell gefahren sein. „Plötzlich gab es einen Knall, ich habe nichts gesehen“, sagte er im Prozess. Er habe etwas vor die Scheibe bekommen und gedacht, es sei eine Verkehrsbake. Jens P. fuhr weiter. Erst als er später hielt, habe er Blut am Auto bemerkt, versicherte er. Er sei im Schock gewesen. Dann sei ihm bewusst geworden, „dass etwas Schlimmes passiert sein musste“. Der Gedanke, Rettungskräfte zu alarmieren, kam ihn nicht. P. hatte den Fußgänger Peter D. umgefahren, 43 Jahre alt und Vater eines kleinen Kindes.

Die Version von P. wird aber durch ein technisches Gutachten in Frage gestellt. Demzufolge hat P. etwa 30 Meter vor dem Fußgänger noch kurz gebremst. Für den Staatsanwalt ist das der Ansatz für den mutmaßlichen Mordversuch. P. habe bemerkt, dass er jemanden umgefahren hatte, heißt es in der Anklageschrift. Um wegen der Raserei nicht belangt zu werden, „fand er sich bewusst damit ab, dass der auf der Fahrbahn liegende Geschädigte von nachfolgenden Kraftfahrzeugen überrollt und getötet werden kann“. Jens P. beteuerte, dass er „nichts vertuschen“ wollte. Ob er wegen versuchten Mordes schuldig gesprochen wird, hängt auch von einem psychiatrischen Gutachten ab. Darin geht es um die Frage, ob er vermindert schuldfähig war, weil er aufgrund eines Schocks weiterfuhr. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Seit Jahren beklagen die Angehörigen von Verkehrsunfallopfern die milden Strafen für die Verursacher. Eine Berlinerin hat 1995 ihre 16-jährige Tochter durch einen betrunkenen Autofahrer verloren. Damals wandte sie sich an „Dignitas“, die Deutsche Interessengemeinschaft für Verkehrsunfallopfer e.V. Dort fand sie Rat und Beistand – auch als sie miterleben musste, wie der Fahrer nur zu einer geringen Geldstrafe verurteilt wurde.

„Der Opferschutz kommt zu kurz“, sagt der Vertreter von Dignitas Berlin, Rechtsanwalt Marcus W. Gülpen. Auch der Berliner Sprecher des Fußgängerschutzvereins Fuss e.V., Karl-Heinz Ludewig, fordert härtere Strafen für Verkehrsrowdys: „Da sterben Menschen. Und die verantwortungslosen Täter kommen mit lächerlichen Strafen davon.“ Erst kürzlich wurde ein 39-Jähriger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, obwohl er mit 2,3 Promille und Tempo 120 durch Marzahn gerast und gegen einen Fiat gekracht war. Dessen Insassen starben, trugen aber laut Gericht eine Mitschuld, weil auch sie Alkohol getrunken hatten.

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