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Unglücksort. Die Feuerwehr an der Unfallstelle. Wie das Unglück passieren konnte, ist unklar. Eigentlich muss die Zugtür sich öffnen, wenn jemand eingeklemmt ist. Foto: Andreas Meyer

© Andreas Meyer

Berlin: Tödlicher Unfall beim Aussteigen aus der S-Bahn Mann war vermutlich an der Tür hängen geblieben und mitgerissen worden

Seit die Aufsicht eingespart wurde, müssen Zugführer alles selbst sehen

Er wollte wohl nur schnell einen Wagen der Ringbahn S 41 verlassen, bevor der Zug losfuhr. Der Signalton war längst ertönt, die Türen schlossen sich. Doch kurz vor 13 Uhr sprang der 31-jährige Berliner nach Angaben der Polizei am Donnerstag am Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg trotzdem aus dem letzten Waggon des Zuges. Wenige Momente später war der Mann tot. Beim Aussteigen war er vermutlich zwischen Zug und Bahnsteigkante hängen geblieben, wurde von der anfahrenden S-Bahn mitgeschleift und hinter die weiterfahrende Bahn auf die Gleise geschleudert. Er starb noch am Unfallort.

Warum es zu dem tragischen Unfall kam, ist unklar. Eine Obduktion und Zeugenaussagen sollen Klarheit schaffen. Eine Frau hatte den Unfall beobachtet und die Polizei gerufen.

Der Zug war vom Triebfahrzeugführer abgefertigt worden, der dazu seinen Führerstand verlassen muss, um den Zug beobachten zu können. Auf dem Bahnhof Greifswalder Straße gibt es zwar eine Aufsicht, doch diese gehört zu den so genannten Stammaufsichten, die für mehrere Bahnhöfe zuständig sind, aber keine Züge abfertigen. Sie haben in der Regel auch keinen Blick auf den Bahnsteig.

Seit die frühere Geschäftsleitung auf den meisten Bahnhöfen die Aufsichten abgezogen hat, um Kosten zu sparen, müssen diese Aufgabe die Triebfahrzeugführer übernehmen. Von ihrem Führerstand aus müssen sie bei einem Sechs-Wagen-Zug, wie er auf dem Ring unterwegs ist, 111 Meter im Blick haben. Bei einem Acht-Wagen-Zug sind es bis zu der letzten Tür fast 150 Meter. Dabei kann auch die Sicht durch Fahrgäste auf dem Bahnsteig versperrt oder beeinträchtigt sein.

Das System war eingeführt worden, obwohl die technischen Voraussetzungen fehlten. Das Konzept mit einer Überwachung per Kamera und Monitoren im Führerstand ist vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) bisher nicht genehmigt worden. Nach Tagesspiegel-Informationen waren auch bei der obligatorischen Gefahrenanalyse erhebliche Schwachpunkte erkannt worden; insgesamt hielt man das System aber für anwendbar.

Die Türen der Züge sind so gesichert, dass sie sich wieder öffnen, wenn beim Schließen ein Fahrgast oder ein Gegenstand eingeklemmt wird. Der Zug kann dann nicht losfahren. Das System funktioniert allerdings bei kleinen Gegenständen nicht immer. Wird zum Beispiel beim Aussteigen eine Jacke eingeklemmt, bleiben die Türen in der Regel zu und der Zug fährt los. Für den Triebfahrzeugführer ist es schwer, einen so Eingeklemmten aus mehr als hundert Metern zu erkennen, wenn der Betroffene nicht heftig gestikuliert oder andere nicht Fahrgäste einschreiten. Aber am Donnerstag wurde auch nicht die Notbremse gezogen.

In München mussten erst vor kurzem neue S-Bahnen umgebaut werden, nachdem es dort an der Tür einen schweren Unfall gegeben hatte. Ein solcher Umbau wäre bei den Berliner Fahrzeugen jedoch extrem aufwändig.

Ob die hiesige S-Bahn, die ohnehin in großen Schwierigkeiten steckt, nun auch vom EBA weitere Auflagen zur Tür-Sicherheit erhält, kann erst entschieden werden, wenn die Unfallursache feststeht. Auch ein technischer Defekt kann bisher nicht ausgeschlossen werden.

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