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Berlin: Topographie des Terrors erhält ein neues Zentrum

Zweiter Baustart für ein Projekt, das schon vor zehn Jahren fertig sein sollte. Der nüchterne Charakter des Geländes soll gewahrt bleiben

Schon fragen Besucher im Informationspavillon, ob die Freiluftausstellung mit den Bildwänden über Naziopfer, Widerstand, SS, Gestapo und Folterkeller im einstigen Prinz-Albrecht-Palais weiter geöffnet bleibt. Sie werden beruhigt, obwohl Einschränkungen nicht ausgeschlossen sind. Denn dicht neben den Fotowänden arbeiten Bagger, wird Erdreich bewegt, wo vor nicht langer Zeit noch drei Betontürme standen – Zeugen eines beispiellosen Baudesasters, das mit einem Festakt 1995 begann und 2004 mit dem Abriss der Rohbauten endete. Nun folgt der zweite Versuch: Morgen ist offizieller Baustart für den Neubau des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors. Es soll im Frühjahr 2010 fertig sein.

Weil es die Gründungsfeier im Abgeordnetenhaus vor langer Zeit schon einmal gegeben hat – für den später aus Kostengründen stornierten Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor –, soll kein zweiter Festakt folgen. Die Stiftung Topographie des Terrors und der Bund als Bauherr haben sich für eine schlichte Pressekonferenz zum Baustart entschieden, um den Entwurf der Architektin Ursula Wilms vom Büro Heinle, Wischer und Partner und des Landschaftsarchitekten Heinz Hallmann noch einmal im Detail zu erläutern: ein bescheiden wirkender zweistöckiger Bau an der Niederkirchnerstraße.

Das Bauwerk soll, je zur Hälfte von Berlin und dem Bund finanziert, 19 Millionen Euro kosten: So viel, wie allein schon die Planung und der Rohbau des abgerissenen Vorgängertorsos verschlangen. Das Projekt wäre, hätte man es jemals fertiggebaut, weit über 40 Millionen Euro teuer geworden. Ursprünglich hatte der Senat, damals noch Bauherr, das Zentrum für rund 36 Millionen D-Mark errichten und schon vor zehn Jahren fertigstellen wollen. Aber diese düstere Planungs- und Bauzeit – Baufirmen gingen pleite, der Architekt fühlte sich gedemütigt – wird morgen wohl in den Hintergrund gerückt: Die dunkle Vergangenheit dieser zentralen Adresse des Naziterrors relativiert ohnehin die Auseinandersetzungen um den Neubau. Die neuen Architekten werden auftreten, dazu Staatsminister Bernd Neumann, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Andreas Nachama, der Geschäftsführende Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Der neue Dokumentations- und Austellungsbau soll auf große städtebauliche Gesten verzichten, wie sie Zumthor mit einem langgestreckten, riegelförmigen Baukörper voller Betonstelen plante. Nun soll der nüchterne Charakter des Geländes gewahrt bleiben. Architektin Wilms entwarf östlich des Martin-Gropius-Baus einen kubischen Baukörper, parallel zum Ausstellungsgraben mit den alten Kellerresten. Das Erdgeschoss des Neubaus wird sich den Besuchern mit einem großzügigen Foyer öffnen, es führt zu Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen, die um einen Innenhof gruppiert sind. Im Untergeschoss, das auch Licht vom Innenhof erhält, sind Bibliotheks-, Arbeits- und Seminarräume geplant. Das Haus selbst erhält eine Glas-Metall-Fassade, verschiebbare vorgesetzte Elemente aus feinem Metallgewebe sind als Licht- und Sonnenschutz vorgesehen. Auf den Freiflächen sollen die denkmalgeschützten Reste von Zellengefängnissen und andere Spuren deutlicher erkennbar sein. Ein Rundweg führt künftig an 14 Stationen vorbei, die zurückhaltende Bepflanzung soll den kargen Charakter des Geländes betonen.

Die Vergangenheit des nach Kriegsende brachliegenden Areals an der Wilhelm- und Anhalter Straße war erst Ende der siebziger Jahre ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Lange Zeit war das frühere Gelände der SS-Führung, des SS-Sicherheitsdienstes, des Reichssicherheitshauptamtes und des Geheimen Staatspolizeiamtes mit ihrem „Hausgefängnis“, als „Autodrom“ und Baulager genutzt worden. Inzwischen ist es als „Topographie des Terrors“ weltweit bekannt. Jährlich kommen rund 400 000 Besucher.

Christian van Lessen

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